Öl-Embargo gegen Russland: Welche Folgen das für deutsche Verbraucher hat
Am Montag tritt das Öl-Embargo gegen Russland in Kraft. Die wirtschaftlichen Folgen sind komplex – auch für Deutschland und seine Verbraucher.
Brüssel – Der Wirtschaftskrieg zwischen Russland und dem Westen geht in die nächste Runde. Ab Montag (5. Dezember) greift das nach dem Ukraine-Krieg verhängte Öl-Embargo gegen Russland. Zugleich tritt ein Ölpreisdeckel in Kraft.
Rohöl aus Russland darf also nur noch in Ausnahmefällen in die EU importiert werden. Zudem soll der Ölpreisdeckel Russland zwingen, Erdöl künftig für höchstens 60 US-Dollar pro Barrel an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Der Preis von umgerechnet etwa 57 Euro pro 159 Liter wird dann um bis zu neun Euro unter dem jüngsten Marktpreis für russisches Rohöl der Sorte Urals liegen. Doch was bedeutet das – wird Öl nun günstiger oder teurer für deutsche Verbraucher? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Öl-Embargo: Fließt ab heute kein Öl mehr nach Europa?
Nein, nicht ganz. Deutschland will den Bezug von russischem Rohöl spätestens Ende des Jahres stoppen. Bis dahin nimmt es eine Ausnahmeregelung in Anspruch, die für EU-Staaten gilt, die aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderem Maße von Pipeline-Öl aus Russland abhängig waren und die Importe nicht so schnell ersetzen können. In der Bundesrepublik profitiert davon insbesondere die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Sie wird bisher mit russischem Öl aus der Druschba-Pipeline versorgt, das nun ersetzt werden muss.

Bislang ohne Zeitbeschränkung wollen zunächst die Länder Ungarn, Tschechien und die Slowakei die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen. Weitere Ausnahmen gibt es für Bulgarien mit Hinblick auf die Einfuhr von russischem Rohöl, das auf dem Seeweg transportiert wird, sowie für Kroatien mit Hinblick auf Vakuum-Gasöl. Ab 5. Februar gilt dann EU-weit auch ein Importstopp für verarbeitete Produkte wie Diesel oder Kerosin aus Russland.
Dabei werden die nächsten beiden Schritte – der Verzicht zum Jahresende und der Importstopp verarbeiteter Öl-Produkte im Februar – Deutschland wohl mehr berühren als der Auftakt am Montag.
Hat Deutschland auch ohne Russland genug Öl?
Vor Beginn des Ukraine-Kriegs deckten Ölimporte aus Russland rund 35 Prozent des deutschen Bedarfs. Grob gesagt kam davon ein Drittel per Tanker, zwei Drittel flossen über die Druschba in die ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt. Laut Wirtschaftsverband Fuels und Energie sanken die Rohölimporte aus Russland bis Oktober 2022 auf 16 Prozent. Ersatz kommt aus Großbritannien, den USA und Kasachstan. Der Branchenverband geht davon aus, dass das vom EU-Embargo betroffene russische Tankeröl rechtzeitig vollständig ersetzt wird.
Was ist mit den Nicht-EU-Ländern?
Der Ölpreisdeckel soll weltweit seine Wirkung entfalten. Um die Preisobergrenze für russische Ölexporte in Nicht-EU-Länder durchzusetzen, wurde beschlossen, dass für russische Ölexporte wichtige Dienstleistungen künftig nur noch dann ungestraft geleistet werden dürfen, wenn der Preis des exportierten Öls die Preisobergrenze nicht überschreitet. Westliche Reedereien können mit ihren Schiffen damit weiterhin russisches Öl in Länder wie Indien, China oder Ägypten transportieren. Auch gilt die Regelung für andere wichtige Dienstleistungen wie Versicherungen, technische Hilfe sowie Finanzierungs- und Vermittlungsdienste.
Welches Ziel haben Ölpreisdeckel und Öl-Embargo?
Die Hoffnung ist, dass die Preisobergrenze zu einer Entspannung an den Energiemärkten führt und auch Drittländer entlastet. Beide Maßnahmen der EU sollen zudem dazu beitragen, die russischen Handelsgewinne zu begrenzen und dadurch auch Russlands Fähigkeiten zur Kriegsführung einschränken.
Nach Angaben eines EU-Beamten sind von dem Embargo rund drei Millionen Barrel Rohöl pro Tag betroffen. Bei einem langfristigen Durchschnittspreis von 70 Dollar (67 Euro) pro Barrel würden Russland damit pro Tag Erlöse in Höhe von etwa 210 Millionen Dollar (200 Millionen Euro) entgehen. Der Anteil von Öl an den gesamten Exporterlösen zugunsten des russischen Staatshaushaltes lag nach Angaben von EU-Beamten bei rund 37 Prozent. Dass die Ölmenge komplett an andere Abnehmer verkauft werden kann, gilt als ausgeschlossen.
Was bedeutet die Entwicklung für die Preise für Heizöl und Diesel?
Das hängt von der Reaktion Russlands und der Weltmärkte ab. Grundsätzlich entwickeln sich der Heizölpreis und der internationale Preis für Rohöl in dieselbe Richtung, wenn auch mit etwas Zeitverzug. Doch wirken auch andere Faktoren, wie Konjunktur, Nachfrage, Steuern und Abgaben sowie Transport- und Lagerhaltungskosten. Zum Spritpreis sagt ADAC-Kraftstoffmarktexperte Christian Laberer: „Letztlich kommt es darauf an, ob der Deckel die Ölpreise drückt oder im Gegenteil zum Steigen bringt.“
Wo liegt der Ölpreis aktuell?
Am Montag wurde europäisches und amerikanisches Rohöl mit leichten Aufschlägen gehandelt: So kostete ein Barrel der Nordseesorte Brent 85,90 Dollar. Das waren 33 Cent mehr als am Freitag.
Wenige Wochen später steigen die Spritpreise hierzulande nach dem Jahreswechsel. Diesel bleibt teurer als Benzin.
Wie reagiert Russland?
Russland hat angedroht, dass es kein Öl an Länder liefern wird, die den Preisdeckel akzeptieren. Das Land sehe das Instrument als nicht marktwirtschaftlich an und werde einen Mechanismus entwickeln, um die Anwendung der Obergrenze zu verbieten, sagte der russische Vizeregierungschef Alexander Nowak am Sonntag im Moskauer Staatsfernsehen. Hielte Moskau das durch, könnte es zu einer Verknappung und damit steigenden Preisen führen.
Welche Auswirkungen haben die Maßnahmen auf Verbraucher in 2023?
Kritiker warnen, dass Verbraucher den deutschen Verzicht auf russisches Pipeline-Öl ab 1. Januar an der Zapfsäule zu spüren bekommen und das vor allem in Ostdeutschland. Hintergrund ist die besondere Lage in der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Das Werk mit 1200 Mitarbeitern verarbeitet seit Jahrzehnten russisches Öl aus der Druschba und versorgt damit weite Teile Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs und die Hauptstadt Berlin, einschließlich des Flughafens BER.
Und noch immer ist nicht klar, woher künftig das Öl zur vollen Auslastung des PCK kommen soll. Das liegt auch daran, dass die Mehrheitseigner – zwei Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft – lange kein Interesse an einer Abkehr vom russischen Öl zeigten. Seit Mitte September stehen sie unter Treuhandkontrolle des Bundes. Die Regierung sucht sehr angestrengt alternative Ölquellen für Schwedt.
Raffinerie in Schwedt: Gibt es Lösungsansätze für diese Probleme?
Bis zu 55 Prozent des Bedarfs im PCK sollen über Tanker nach Rostock und von dort über eine bestehende Pipeline nach Schwedt gebracht werden. Mehr schafft die Leitung derzeit nicht. Deshalb verfolgt die Bundesregierung zwei weitere Möglichkeiten: Kasachisches Öl könnte über die Druschba geliefert werden. Und zusätzliches Tankeröl könnte über den polnischen Hafen Danzig kommen. Über diesen versorgt sich künftig auch die ostdeutsche Raffinerie in Leuna. Deren französischer Besitzer Total hatte schon im Frühjahr entschieden, ab Jahresende kein russisches Öl mehr zu kaufen, und will dies nach jüngsten Angaben auch durchziehen.
Beim PCK hatte Polen wegen der Rosneft-Beteiligung lange Vorbehalte. Nach zähen Verhandlungen verkündete Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vergangene Woche einen Durchbruch: Polen sagte grundsätzlich zu, dass künftig auch Schwedt über Danzig Öl bekommen könnte. Die Menge blieb jedoch offen. Habecks Staatssekretär Michael Kellner reist deshalb an diesem Montag für „vertiefte Gespräche“ nach Polen. (lma/dpa)