Darüber kann der 75-Jährige nur den Kopf schütteln. „Das sind Fallstricke für Ärzte“, schimpft er im Gespräch mit der AZ. Mit solch formalen Spitzfindigkeiten würden den Medizinern unnötige Probleme aufgebürdet. „Wir müssen in den Praxen auf eventuelle Notfälle, zum Beispiel allergische Schockzustände, gut vorbereitet sein“, betont Rennekamp. „Angenommen, ich hätte den Adrenalin-Auto-Injektor nicht da und ein Patient käme zu Schaden: Ich möchte nicht wissen, was dann los wäre.“
Sein Ärger über die „bürokratischen Hürden für Ärzte“, so sein Eindruck, ist groß. „Es ist ein Skandal, dass dieses wichtige Medikament auf der Liste für den Sprechstundenbedarf ausgeschlossen ist“, sagt der Wrestedter. Anstatt das Patientenwohl im Blick zu haben, gehe es offenbar nur um die Kosten, vermutet Rennekamp.
Das sieht die Rezeptprüfstelle jedoch anders. Im Auftrag der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) habe sie einen „Antrag auf Feststellung eines Verstoßes gegen die Sprechstundenbedarfsvereinbarung bei der Prüfungsstelle Niedersachsen eingereicht“, teilt sie Rennekamp schriftlich mit. Eine Verordnung des Auto-Injektors sei in dem genannten Fall „zu Lasten der GKV ausgeschlossen“, erklärt die Prüfungsstelle Niedersachsen.
Das bestätigt Detlef Haffke, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen. Er verweist darauf, dass das Adrenalin-Präparat in zwei verschiedenen Formen zur Verfügung steht: als Ampullen zum Aufziehen in Spritzen und als Injektions-Pens. Letztere kosteten ungefähr das Fünffache und seien in erster Linie für Allergiker zur Selbstanwendung oder zur Verabreichung durch andere medizinische Laien wie Eltern oder Freunde gedacht. „Ärzte sind zudem in der Lage, das Adrenalin aus der Ampulle aufzuziehen und dem Patienten dann zu verabreichen, weshalb der Einsatz der Fertigpens aus Sicht der Krankenkassen unwirtschaftlich ist“, so Haffke.
Das selbst aufgezogene Adrenalin wirke genauso schnell wie das aus dem Auto-Injektor. Der Wirkstoff aus der Ampulle könne „zudem in der Menge an das Gewicht des Patienten angepasst werden, während der Auto-Injektor nur eine bestimmte Menge enthält und daher gegebenenfalls ein weiterer Auto-Injektor benötigt wird“, gibt Haffke zu bedenken. Sein Fazit: „Auch im Sprechstundenbedarf ist auf die Wirtschaftlichkeit zu achten.“ Dieser Bedarf werde komplett von den Krankenkassen bezahlt, „sodass dem Arzt keine Kosten bei einer zulässigen Verordnung auferlegt werden“.
Trotzdem hält Rennekamp den Auto-Injektor bei plötzlichen allergischen Schockzuständen für besser geeignet als Ampullen. „Man kann damit viel schneller Adrenalin verabreichen als mit einer Spritze. Bis die aufgezogen ist, vergeht wertvolle Zeit zur Behandlung eines Patienten in einer lebensbedrohlichen Situation“, bekräftigt er.
Rennekamps Dilemma ist übrigens kein Einzelfall. Zwischen dem 1. Januar 2020 und 19. Januar 2023 „wurden bei der Prüfungsstelle Niedersachsen insgesamt 116 Verfahren eröffnet, in denen der identische Antragsgegenstand vorlag“, teilt Börje Ulrich, Leiter der Prüfungsstelle, auf AZ-Anfrage mit.
Die geforderten 129,43 Euro werde er natürlich bezahlen, versichert Rennekamp. Trotzdem bleibt er bei seiner Meinung über den Ausschluss des „Fastjekt“-Injektors auf der Sprechstundenbedarfsliste: „Wer entscheidet so etwas? Das können keine Mediziner sein.“