„Ich dachte, ich bin im falschen Film“, so schildert Hahnemann der AZ die Ereignisse. Seine Frau und die Enkeltochter seien mit zur Ratssitzung gekommen, weil er dort vom Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund (NSGB) für 49 Jahre Ratsarbeit ausgezeichnet werden sollte. Da NSGB-Kreisgeschäftsführer Martin Feller, zugleich Samtgemeindebürgermeister von Bevensen-Ebstorf, an diesem Abend wegen eines anderen politischen Termins verhindert war, übernahm Kleuker die Ehrung. Und die geriet zu einer Brandrede.
„Statt einer Ehrung gab es eine Generalabrechnung mit mir. Das war unverschämt“, ärgert sich Hahnemann. Er vermutet, dass es eine Retourkutsche für seine Äußerung auf der konstituierenden Ratssitzung im November war. Damals hatte Hahnemann der CDU-Fraktion vorgeworfen, die mit ihren Stimmen beschlossene Abschaffung des Bau-, Wege- und Umweltausschusses sei „eine Art von Diktatur“ (AZ berichtete).
„Ich war in Rage und in Wut. Das ist für mich keine Demokratie und kein gutes Miteinander im Rat“, sagt Hahnemann. Diese Meinung müsse auch der Bürgermeister akzeptieren. Hahnemanns größter Vorwurf: Kleuker habe ihm gesagt, dass die CDU geschlossen den Saal im „Gerdau-Huus“ verlassen hätte, wenn Feller die Ehrung vorgenommen hätte. „Das ist ein unmögliches Verhalten“, meint Hahnemann. Kritisches Nachfragen sollte doch wohl noch erlaubt sein.
Kleuker stellt die Angelegenheit jedoch anders dar. Ihm sei es vor allem darum gegangen, dass sich Hahnemann für den Vorwurf der Diktatur entschuldigt. „Diese Art, einen demokratisch gewählten Rat anzugreifen, geht nicht“, sagt Kleuker im AZ-Gespräch. Hahnemann habe aber kein Wort der Entschuldigung vorgebracht. Dabei habe er mit seiner Äußerung nicht nur die Gewählten, sondern auch deren Wähler verunglimpft. „Als jemand, der über 40 Jahre in der Politik ist, sollte ihm klar sein, dass so etwas nicht geht“, sagt Kleuker. Daher habe er es während der Ehrung auch angesprochen.
Kein Verständnis dafür hat hingegen Tilman Grottian. Der Bohlsener ist Mitglied der Freien Wählergemeinschaft Gerdau, verfolgte die Ratssitzung aber als unbeteiligter Zuschauer. Über Kleukers Verhalten ist er empört: „Statt eine würdige Ansprache zu halten, kanzelte er Wolfgang Hahnemann gefühlte zehn Minuten ab.“
Hahnemanns Diktatur-Vorwurf „war offensichtlich zu viel für Stefan Kleuker, um seine Rolle als Repräsentant des NSGB angemessen ausfüllen zu können“, mutmaßt Grottian. Und er fragt sich, warum Kleuker die Ehrung trotzdem vollzogen hat. „Es hätte ihm doch völlig freigestanden, um eine Verschiebung des Termins zu bitten, sodass eine unbefangene Person die Ehrung hätte vornehmen können. Da er darauf verzichtet hat, setzt er sich leider dem Verdacht aus, bewusst Anlass und Bühne gesucht zu haben, um seinen Widersacher zu demütigen.“ Das werde eine gedeihliche Zusammenarbeit im Gerdauer Rat nicht erleichtern – „ein Effekt, der wohl kaum im Sinne des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds sein dürfte“, meint Grottian.
Dagegen springt Christoph Wille, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion, Kleuker zur Seite. „Seine kritischen Worte waren berechtigt“, sagt er. Mit dem Vorwurf des diktatorischen Verhaltens habe sich Hahnemann „komplett daneben benommen. Das hat uns alle in der Fraktion sehr geärgert.“
Zudem weist Wille Spekulationen zurück, die CDU-Ratsmitglieder hätten bei einer Ehrung Hahnemanns durch Feller geschlossen den Saal verlassen. „Wir haben vorher in der Fraktion darüber gesprochen und uns dagegen entschieden, weil wir uns nicht auf das gleiche Niveau wie Herr Hahnemann begeben wollten“, sagt Wille.
Deutliche Worte zu der Angelegenheit findet Martin Feller. „Wenn es darum geht, eine Ehrung auszusprechen, dann hat politischer Zwist zurückzustehen“, betont er. Hätte er vorher gewusst, dass das Verhältnis zwischen Kleuker und Hahnemann so konfliktbeladen ist, hätte er die Ehrung verschoben und zu einem späteren Zeitpunkt persönlich vorgenommen, erklärt Feller.