Sie habe noch immer die Hoffnung, dass der Täter sich stelle, oder aber die Polizei Erfolg habe. „Ich will die Menschen auch noch einmal sensibilisieren für Yasmins Schicksal“, begründet Schäfer, warum sie sich vor Kameras stellt, das Gespräch mit der Presse sucht.
Nach Auskunft der zuständigen Staatsanwaltschaft Braunschweig gibt es zurzeit keine Ermittlungen in dem Fall von Yasmin Stieler. Der Erste Staatsanwalt Christian Wolters: „Sollten sich allerdings neue Hinweise auf einen Tatverdächtigen ergeben, könnten diese Ermittlungen jederzeit wieder aufgenommen werden.“
Die AZ erfuhr, dass immerhin eine Ermittlungsgruppe bei der Braunschweiger Polizei mit dem Namen „Cold Cases“, die sich um alte und ungeklärte Fälle kümmert, die Akten anforderte, auch Gespräche mit früheren Ermittlern führte.
Im Beitrag von „Achtung Fahndung“ erklärt Wolters, dass noch offen sei, was aus der Kleidung der Teenagerin wurde – darunter ein auffälliges Oberteil mit Kuhfellmuster. Auch die genaue Route, die Yasmin Stieler nahm, sei nicht geklärt. Hinweise könnten helfen.
Bis heute fehlen auch noch Yasmin Stielers Hände. Nach dem Fund des Torsos werden wenig später ihre Beine in einem Gewässer entdeckt, ein Dreivierteljahr später auch ihr Kopf im Hämelerwald. Dreimal muss Rosemarie Schäfer an das Grab treten, immer dann, wenn wieder neue Leichenteile entdeckt werden. Das Vorgehen des Täters, es belastet sie bis heute: „Diese Nerven zu haben, einen Körper zu zerteilen“, sagt sie.
Die Polizei geht seinerzeit ungewöhnliche Wege, um den Fall aufzuklären. Es kommt zu einer großen Plakataktion, bei der der Täter direkt angesprochen wird: „Der Torso in Vechelde; der Kopf im Hämelerwald; die Beine in Hannover; die Hände... ? Können Sie damit leben?“ ist darauf zu lesen. Auch ein Massen-Speicheltest erfolgt – ohne das erhoffte Ergebnis.
Verdächtige gibt es. Ein Schlachter gerät ins Visier der Fahnder. Staatsanwalt Christian Wolters wird bei „Achtung Fahndung“ damit zitiert, dass dieser als Täter nicht in Betracht kommt.
Zwölf Jahre später, 2008, steht ein Lkw-Fahrer im Fokus. Ein Spaten mit Erdanhaftungen, die zum Fundort des Torsos passen, gilt als Belastungsmaterial. Der Mann wird in Untersuchungshaft genommen. Zum Prozess kommt es aber nicht. Denn Richtern reichen die Indizien nicht.
Sollte es heute zu neuen Erkenntnissen kommen, ist nicht sicher, ob es überhaupt noch zu einer Verteilung käme. Staatsanwalt Christian Wolters: „Bislang steht lediglich fest, dass Yasmin Stieler erwürgt oder erdrosselt worden ist. Das für sich genommen, erfüllt nur den Tatbestand des Totschlags.“ Der verjährt nach 20 Jahren, die inzwischen vergangen sind. Sollte aber der Täter, so Wolters weiter, die Teenagerin arglos von hinten erdrosselt oder aus niedrigen Beweggründen oder zur Befriedigung des Geschlechtstriebs gehandelt haben, dann läge ein Mord vor, der nie verjähre.
Auf dem Kreuz auf Yasmin Stielers Grab war das Wort „Warum“ zu lesen. „Das will ich auch heute noch wissen“, sagt Rosemarie Schäfer. „Der, der verantwortlich ist, dem will ich in die Augen schauen, und er soll mir sagen: warum.“