Über eine Dolmetscherin folgt der Angeklagte der Verhandlung. Den Diebstahl der Jacken gibt er direkt zu, zur körperlichen Auseinandersetzung mit dem Einzelhändler äußert er sich zunächst nicht – erst im letzten Wort vor der Urteilsverkündung. Da bekundet er, dass es ihm leidtue, dass er den Mann verletzt habe und dass er hoffe, er könne ihm verzeihen.
Strafrichter Walter Graf Grote wertet das als spätes Geständnis. Am Ende wird der 33-Jährige wegen einfacher und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer weiteren Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je drei Euro verurteilt. Die Höhe ist bei Gefängnis-Insassen vorgeschrieben, in Summe also 300 Euro. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht.
Was alle Prozessbeteiligten merklich betroffen macht, sind die Schilderungen des Zeugen, der vor dreieinhalb Jahren Schläge, Tritte und Bisse eingesteckt hatte. Der 31-Jährige konnte sich an den konkreten Fall eigentlich nur deshalb erinnern, weil es der bislang einzige war, bei dem ihm ein erwischter Ladendieb in die Genitalien getreten hatte. Mehrere Tage hatte er unter Schmerzen gelitten.
Der Mann schilderte, dass körperliche Übergriffe für ihn und seine Kollegen fast an der Tagesordnung stünden. Pro Monat käme es deswegen zu ein bis zwei Anzeigen. Ruhiger sei es nur zwischenzeitlich gewesen, als ein Sicherheitsdienst eingesetzt worden war. Den aber gibt es jetzt nicht mehr – also muss er meistens selbst versuchen, Ladendiebe zu stellen. „Da waren so viele andere Körperverletzungen – 20 bis 30 Mal bin ich schon geschlagen worden“, sagt er.
Hilfreich erweist sich bisweilen, dass die beiden automatischen Schiebetüren im Laden zeitlich so getaktet sind, dass ein flüchtender Dieb in schöner Regelmäßigkeit mit Wucht gegen die zweite Tür rennt – weil die sich nicht so schnell öffnet, wie der Flüchtende rennt. „Das passiert eigentlich jedem, der wegrennt“, so der Zeuge. Darüber müssen selbst Richter, Staatsanwalt und Verteidigerin schmunzeln.
Dem Angeklagten ist das damals auch passiert, andere Kunden hielten den Mann fest, bis die Polizei kam. Jetzt will der gelernte Installateur möglichst schnell aus dem Gefängnis, eine Ausbildung machen und arbeiten.