Sowohl Geerken als auch Thomas Köster, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe, ist aber bewusst, dass auch im Landkreis Uelzen die Dunkelziffer hoch sein dürfte. Insofern hat das Klinikum mit dem Präventionsrat Uelzen (feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen) und der Polizei im Vorfeld des „Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen“ (25. November) den Weg über die AZ an die Öffentlichkeit gewählt, um auf das Angebot des Netzwerkes „ProBeweis“ aufmerksam zu machen.
„Wir sind weder Polizei noch Anwälte oder Richter. Wir schreiben alles, was uns die Opfer berichten, im Konjunktiv auf. Aber wir können mit Befunden objektivieren, damit die Justiz später gerichtsverwertbar etwas in der Hand hat“, sagt Geerken.
Er präsentiert einen dicken Ringbuchordner. Drei dieser Exemplare sind im Helios Klinikum verfügbar: in der Pädiatrie (Kinderheilkunde), in der Gynäkologie und in der Notaufnahme. Nach exakten Vorgaben werden Opfer im Falle des Falles von Kopf bis Fuß auf frische wie verheilte Prellungen, Würgemale oder andere Wunden untersucht, akribisch Proben genommen.
Dafür steht ein ganzes Paket an Behältnissen für Abstriche, aber auch Bekleidung zur Verfügung. Sämtliche Asservate werden versiegelt und nur mit einer Nummer versehen nach Hannover geschickt und dort gelagert. Entscheidet sich ein Opfer binnen drei Jahren dazu, den Täter doch noch anzuzeigen, liegen die Spurenträger vor.
„Vor allem Frauen müssen Ekel und Scham überwinden und dürfen keine Beweismittel vernichten, indem sie sich reinigen. Das wäre vollkommen falsch. Sie müssen herfahren in die Notaufnahme“, betonen Peter Wegener und Hans Lepel, Geschäftsführer und Vorsitzender des Präventionsrates Uelzen. „Der Weg in die Klinik ist eine hohe Hürde. Frauen haben häufig eine extreme Scham zu kommunizieren, was passiert ist. Wir wollen ihnen jedoch vermitteln: ,Bleibt ruhig‘. Wenn es irgendwie möglich ist, führen Kolleginnen die Untersuchungen durch. Wir tun wirklich alles für die Frauen, damit es nicht noch belastender wird“, ergänzt Köster.
Und Geerken weiß: „Die Einstellungsquote solcher Verfahren liegt bei 85 Prozent. Der Hauptgrund: Es fehlen die Beweise. Wir müssen das in die Köpfe kriegen.“ Sämtliche Mitarbeiter im Helios Klinikum werden jährlich erneut über Schulungen für das Thema sensibilisiert.
Silke Munstermann, Präventionsbeauftragte der Uelzener Polizei, berichtet davon, dass Opfer oft in Abhängigkeitsverhältnissen zum Täter stehen. „Bestimmte Gesellschaftsgruppen werden sich nicht an die Polizei wenden. Deshalb ist das Dunkelfeld hoch. Vielleicht aber sind Opfer angesichts der Anonymisierung bereit, Beweise sichern zu lassen. Sie haben dadurch keinerlei Nachteile zu erwarten, weil der Täter so lange nicht angesprochen wird, wie keine Anzeige vorliegt.“
Dr. Swen Geerken betont, dass alle Institutionen im Landkreis zusammenstehen müssten, um das Angebot bekannt zu machen und den Opfern so zu helfen. Seitens des Präventionsrates ist beabsichtigt, das Netzwerk „ProBeweis“ in der Arbeitsgemeinschaft Soziale Dienste zu thematisieren. Die Polizei will bei ihrer Präventionsarbeit über die im November anstehenden Vorträge zum Thema Gewalt an Frauen hinaus auch die Schulen nutzen.
„Gewalt gegen Kinder und den Partner ist ein Tabuthema in der Gesellschaft, Wir kümmern uns um die Opfer und versuchen, etwas zu verbessern“, hofft Dr. Swen Geerken, dass immer mehr Betroffene Mut finden, sich den Ärzten zu öffnen und die Strafverfolgung zu ermöglichen.