Die Verbreitung pornografischer Schriften wird zwar grundsätzlich als Straftat erfasst, doch häufig gibt es in solchen Ermittlungsverfahren weitere Vorwüfe. Das ist typischerweise Belästigung, geht aber bis hin zum sexuellem Missbrauch von Kindern, wenn der Adressat von derlei Bildern minderjährig ist. In die Statistik fließt nur das schwerwiegendere Vergehen.
Wie kommt es zu solchen Fällen? Ein Beispiel, das als trauriger Klassiker gilt: Ein Mädchen schickt dem Freund quasi als Liebesbeweis ein Foto, das sehr viel Haut zeigt. Wenn beide dann irgendwann kein Paar mehr sind, wird das sehr private Bild plötzlich aus Wut oder Enttäuschung heraus über soziale Netzwerke entgegen seiner urspünglichen Bestimmung in Umlauf gebracht – oftmals samt fiesem Spruch oder anderweitig manipuliert.
Als noch Fotos über Film entstanden, der zur Entwicklung beim Fachmann abgegeben werden musste, war das schwer möglich. „Selfies“ mit dem Smartphone machen es dagegen heute verführerisch leicht, Dinge zu tun, die später bereut werden könnten... Ein Ermittler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, nennt es „die Pest“, dass Dienste wie „Snapchat“ Gesprächsverläufe nicht speichern. Der Chat ist für immer weg, falls das Opfer nicht gedankenschnell die Bildschirmansicht von Handy oder Tablet als „Screenshot“ festhält. Ein Fall aus genau dieser Gemengelage wurde letzte Woche am Amtsgericht Uelzen verhandelt.
Da sollte ein zum Tatzeitpunkt im letzten Sommer 18-Jähriger laut Anklage eben über „Snapchat“ sein erigiertes Glied erst in der Hose und dann vollständig entblößt fotografiert haben. Die Bilder ließ er laut Staatsanwaltschaft einer 14-Jährigen zukommen, die er persönlich gar nicht kannte, sondern nur virtuell. Vor Jugendrichterin Dr. Hagemann musste sich der junge Mann übrigens deshalb verantworten, weil er wohl befürchtet hatte, von dem Mädchen angezeigt zu werden. Er erstattete selbst Anzeige bei der Polizei in Uelzen wegen übler Nachrede. Die nahm von Amts wegen Ermittlungen in dem Fall auf, den sie bis dahin gar nicht kannte. Im Ergebnis kam es zur Anklage wegen Verbreitung pornografischer Schriften und falscher Verdächtigung des Mädchens.
Der junge Mann gab zwar den Austausch harmloser Bilder mit der 14-Jährigen zu, bestritt jedoch vehement die Vorwürfe im Bezug auf Fotos seines Intimbereiches. Mehrfach wollte ihm Richterin Dr. Hagemann eine Brücke in Richtung Geständnis bauen, weil zumindest im Raum stand, dass er die Anzeige bei der Polizei eher auf Drängen der Familie erstattet und das Verfahren so selbst ins Rollen gebracht hatte. „Ich hab‘ aber wirklich nichts geschickt“, wiederholte er gebetsmühlenartig. Und sein Verteidiger behauptete, dass niemand die Fotos gesehen habe – eine Freundin des Opfers hatte das Gegenteil ausgesagt. Das Gericht verurteilte ihn nach fast dreistündigem Prozesses zu einer Geldstrafe von 400 Euro. Und wird sich wohl schon bald mit dem nächsten Fall befassen müssen.