Die Resonanz auf Neumanns Vorschlag im Rat war allerdings alles andere als einheitlich. Bei der Abstimmung votierten zwar 19 Mitglieder dafür, elf stimmten aber mit „Nein“ und acht weitere enthielten sich.
Die Rechtsgrundlage für die Einwohnerfragestunde liefert Paragraf 62 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG). Darin heißt es, dass eine kommunale Vertretung bei öffentlichen Sitzungen Einwohnerinnen und Einwohnern ermöglichen könne, Fragen zu Beratungsgegenständen und anderen Angelegenheiten der Kommune zu stellen.
Absatz 3 gibt vor, dass Einzelheiten über die Geschäftsordnung geregelt werden sollen. Diese passt die Hansestadt nun an – in drei ihrer Paragrafen. Kuriosum dabei: Der Paragraf 18, der explizit den Ablauf der Einwohnerfragestunde regelt, wird auch weiterhin exakt so heißen – hier ist das Gendern nicht möglich.
Das musste Bernd Hinz aus dem Fachbereich Organisation und Personal der Hansestadt erläutern, weil es selbst CDU-Fraktionschef Stefan Hüdepohl komisch vorkam, dass die neue Formulierung im neuen Satzungsentwurf „nicht stringent durchgezogen“ werde. Und Hüdepohl ist als Rechtsanwalt tätig, damit bestens mit Verordnungen und komplexen Texten vertraut. „Die Einwohnerfragestunde gilt im Paragrafen 18 als rechtlicher Begriff im Sinne des NKomVG und wird deshalb nicht geändert“, so Hinz.
Michelle Bruns (Grüne) betonte: „Sprache schafft Realität. Deshalb finden wir den Antrag super.“ Zuvor hatte Dr. Günther Riedl für die AfD in ein gänzlich anderes Horn gestoßen: „Man braucht für das Aussprechen dieses umständlichen Begriffs sage und schreibe viermal so lange wie für das Wort Einwohnerfragestunde – ich hab‘s ausprobiert.“
Und weiter: „Das Wort Einwohner hat nichts mit Biologie zu tun und schon gar nichts mit Diskriminierung. Es dient der Vereinfachung, Verständlichkeit und dem Gewinn von Lebenszeit. Gendern ist ohnehin nicht durchzuhalten. Hat sich je eine Einwohnerin über die Einwohnerfragestunde beschwert? Wenn nein, warum eine umständliche Änderung? Wir stimmen nicht zu, weil die Einführung dieser sperrigen Bezeichnung unnötig sowie formal und inhaltlich störend ist.“
Als Riedl für nach der Sitzung einen angenehmen Nachhauseweg auf dem Bürgerinnen- und Bürgersteig wünschte, mussten etliche Ratsmitglieder schmunzeln. Die Mehrheit sprach sich aber fürs Gendern aus.