Kathmann stellte gleich zu Beginn klar, dass er das Mehrzweckzentrum nicht verhindern wolle, sondern lediglich Fakten präsentiere. Das Areal befindet sich in einem HQ100-Gebiet. Das bedeutet, dass es einmal in 100 Jahren zu einem Hochwasser kommen kann. Wann genau dies eintreten wird, könne man jedoch nicht vorhersagen, sagte Kathmann und betonte außerdem: „Einen hundertprozentigen Hochwasserschutz kriegen wir eigentlich nicht hin.“
Eine Gefahr von Hochwasser sei das Eindringen von Grund- und Oberflächenwasser in Häuser. Dieses könne nicht nur etwa durch geöffnete Fenster eindringen, sondern auch durch Kellerwände oder Rohre. Auch durch die Kanalisation kann Rückstauwasser in ein Haus eindringen. Je höher das Wasser, desto mehr Druck lastet zudem auf einem Gebäude, wodurch es auch zu Bewegungen im Boden kommen kann.
Um Gebäude ans Hochwasser anzupassen, gibt es laut Kathmann drei Bauweisen: widerstehen, nachgeben oder ausweichen. Soll ein Gebäude widerstehen, kann es zum Beispiel auf einer Warft – einer erhöhten, soliden Grundfläche – gebaut werden. Nachteil: „Die Warft schützt nur sich selbst“, erklärte Kathmann. Das Gebäude liegt zwar höher, ist aber nicht gänzlich vor Hochwasser geschützt. Bei einer nachgebenden Bauweise lässt man das Gebäude beispielsweise mit dem Wasser durchfluten und reinigt es danach. Diese durchflutete Bauweise sei zwar am einfachsten, sagte Kathmann, aber nicht für alle Bauten geeignet. Soll ein Gebäude wiederum ausweichen, gibt es zum Beispiel die Shuttle-Bauweise, die eher in den USA genutzt werde, so Kathmann. Hierbei werden Häuser auf Räder gestellt und versetzt. Dabei sind auch Hybridbauweisen aus verschiedenen solcher Varianten möglich.
Welche Bauweise die richtige für das Mehrzweckzentrum in Bienenbüttel ist, dazu äußerte sich Kathmann nicht. Dies sei eine Entscheidung, die die Politik zu treffen habe.
Zudem gab der Architekt eine kurze Umfeldanalyse. Die Situation sei nicht die gleiche wie im derzeit vom Hochwasser betroffenen Kreis Ahrweiler, schickte Kathmann vorweg. Dort gebe es zum Beispiel mehr Bodenerosion. Jedoch betonte Kathmann auch mit Blick auf die Lage in Bienenbüttel: „Das Einflussgebiet der Ilmenau ist nicht unerheblich.“
So gibt es verschiedene Faktoren, die bei der Planung der Halle berücksichtigt werden müssen. Zum Beispiel stelle sich die Frage, ob der geplante Polder zum Hochwasserausgleich das Ablaufverhalten der Ilmenau verändere. Durch den Hallenbau dürfe der Wasserpegel nicht bei anderen Grundstücken steigen.
Zudem warnte Kathmann, dass Kita und Grundschule als erste Gebäude von einer Überschwemmung betroffen seien, sollten die Pegel weiter steigen. So sei auch das jetzige HQ100 nur eine Momentaufnahme. In sieben Jahren könne der Pegel 40 bis 70 Zentimeter höher liegen. Für die Halle sei daher eine Elementarschadensversicherung und eine besondere Gebäudetechnik erforderlich. Zudem sei die Halle bei Hochwasser zu sperren. Ist die Halle an dem Standort also machbar? „Man kann es schon machen, aber man muss es auch richtig machen“, so Kathmanns Fazit.
Angesichts des Hochwassers im Westen Deutschlands wolle man den aktuellen Standort kritisch hinterfragen, meinte Grünen-Fraktionsvorsitzender Reinhard Schelle-Grote, dessen Partei zu dem Online-Vortrag eingeladen hatte. Er warf die Frage auf, ob es die richtige Entscheidung gewesen sei, die Gestaltung der neuen Halle einem Generalunternehmer zu überlassen und diesem für ein kostengünstiges Angebot freie Hand zu lassen – auch wenn die Entscheidung damals von allen Parteien mitgetragen worden sei. Dies sei jedoch vor Ahrweiler gewesen.
„Haben wir uns ausreichend mit Alternativstandorten beschäftigt?“, fragte Schelle-Grote. Dies solle nun noch einmal gründlich diskutiert werden. „Wenn das mit dem Hochwasser nicht wäre, wäre es der perfekte Standort“, so der Fraktionsvorsitzende im AZ-Gespräch. „Aber einfach so weiterzumachen, finde ich nicht richtig.“ Deshalb haben die Grünen auch beantragt, eine außerordentliche Sitzung von Verwaltungs- und Bauausschuss abzuhalten.