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FKK-Verein „Sport- und Naturfreunde Lüneburger Heide“ aus Rieste löst sich nach über 55 Jahren auf

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Von: Jannis Wiepcke

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Guido Janouschek steht vor einem großen Teich auf dem rund 9 Hektar großen Gelände des FKK-Vereins
Vereinsmitglied Guido Janouschek steht vor einem großen Teich auf dem rund 9 Hektar großen Gelände des FKK-Vereins. Im Sommer wurde dort gebadet. Auch Volleyball oder Boule spielten die Mitglieder in ihrer Freizeit. © Wiepcke, Jannis

Da der Besitzer den Pachtvertrag kündigt, wird der FKK-Verein „Sport- und Naturfreunde Lüneburger Heide“ aus Rieste aufgelöst. Für die Mitglieder, die in dem Waldareal ihr Glück gefunden haben, ist das ein schwerer Schlag. 

Rieste - „Ganz schön trostlos sieht es hier aus“, sagt Guido Janouschek. Sein Blick kreist um den halb leergepumpten, moderigen Teich, schweift dann vorbei an moosbedeckten Campingwagen, verwitterten Schildern und verrosteten Spielgeräten. Das einzig Schöne, das vom Areal der Sport- und Naturfreunde Lüneburger Heide geblieben ist, sind die Erinnerungen an das blühende Vereinsleben. „240 Mitglieder waren wir mal“, blickt der 81-Jährige zurück. „Das war mal ein richtiges Paradies.“

Aus diesem, so fühlt es sich für Janouschek zumindest an, sind die Mitglieder nach und nach vertrieben worden. In den vergangenen Jahren kam es zu einem massiven Mitgliederschwund, die Pflege des Geländes gestaltete sich immer schwieriger. Ausschlaggebend dafür war, dass der Besitzer, ein Bauer aus der Region, den Pachtvertrag für das Areal gekündigt hat. Ende 2023 ist nach über 55 Jahren Schluss.

Schon seit einem halben Jahrzehnt habe sich das Vereins-Aus abgezeichnet, doch richtig wahrhaben will es Janouschek auch heute noch nicht. Die idyllische Lage gibt es in der Region schließlich kein zweites Mal. Abseits der Straße zwischen Steddorf und Rieste, versteckt in einem Nadelwald, befindet sich die selbst erklärte „Oase der Freiheit“, das neun Hektar große „Paradies“ für all diejenigen, die ihre Freizeit hier passenderweise im Adamskostüm verbringen.

Wie Josefa Janouschek berichtet, habe das Nacktsein dabei aber nur an zweiter Stelle gestanden. „Man schaut sich hier ohnehin in die Augen und nicht auf die Brüste“, sagt sie. Zum Ausziehen sei keiner gezwungen worden. Die heute 77-jährige kam auf dem Gelände 1973 selber erstmals mit der Freikörperkultur in Kontakt und stellte für sich fest: „Nackt in der Sonne zu liegen und die Strahlen auf der Haut zu spüren, ist einfach herrlich.“ Für ihren Mann Guido ist es dagegen das Prickeln, das er beim Nacktbaden im Wasser spürt. Und die familiäre Stimmung im Verein.

Freier als auf jedem anderen Campingplatz sei es im Riester Moor zugegangen, sagt er. Gemeinsam wurden Boule-Turniere veranstaltet, Volleyball gespielt und im Vereinshaus gefeiert. Manche der Mitglieder kamen aber auch einfach, um ein paar Stunden dem hektischen Alltag zu entfliehen – Strom oder W-Lan gab es hier nicht.

Ein Motorradfahrer schaue bis heute regelmäßig vorbei, lege sich kurz nackt an den Teich und fahre dann wieder, schildert Guido Janouschek. Das älteste Mitglied sei 93 Jahre alt, aber auch von einem jungen Pärchen Mitte zwanzig, das gerne einige Tage ohne Kleidung am Leib verbringt, weiß seine Frau Josefa zu berichten.

Jetzt, wo die Sport- und Naturfreunde der Lüneburger Heide kurz vor der Auflösung stehen, erlischt das Vereinsleben jedoch zusehends. Die meisten Wohnwagen sind bereits abgebaut worden, ehemalige Stellflächen zugewuchert. Für Guido Janouschek, der hier mehr als ein halbes Jahrhundert verbracht und seine Kinder aufgezogen hat, ein schwer zu ertragender Anblick. „Das tut richtig weh“, sagt er. Auch die erst um die Jahrtausendwende neu errichteten Sanitäranlagen und das moderne Vereinsheim müssten dem Erdboden gleich gemacht werden. Er hofft, dass sich über die Vereins-Website wenigstens jemand findet, der Letzteres an anderer Stelle aufbauen möchte.


Sich selber etwas Neues aufzubauen oder einen neuen Verein zu suchen, kommt für den 81-Jährigen dagegen nicht in Frage. „Wir waren hier der einzige Lichtblick im östlichen Niedersachsen“, berichtet er. Der nächstgelegene Freikörperkulturverein sei in Wolfsburg beheimatet – zu weit weg für den Senior, dessen Frau und die meisten anderen Mitglieder.

Besonders traurig sei das angesichts des Umstands, „dass wir viele junge Leute aufnehmen könnten“, bedauert Guido Janouschek. „Doch die haben gesagt, dass es sich nicht mehr lohnt, hier vorbeizuschauen, wenn sowieso bald Schluss ist.“ Von ehemals 240 Mitgliedern sind jetzt nur noch 23 geblieben, die sich zu Ostern gemeinsam mit einigen Ehemaligen bei einer Feier gebührend von der Anlage verabschieden wollen.

Der Besitzer will das Gelände laut Janouschek jetzt nutzen, um dort jagen zu gehen, – das scheint sich allem Anschein nach auch zu lohnen. Trampelspuren zeugen von Wildschweinen, die auf dem Gelände herumlaufen. Die Natur wird sich das Paradies wohl Stück für Stück von den Naturisten zurückerobern.

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