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Wie Long Covid einer „Powerfrau“ aus Eddelstorf zusetzt

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Von: Norman Reuter

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Das Corona-Virus hat das Leben von Andrea Franco auf den Kopf gestellt.
Das Corona-Virus hat das Leben von Andrea Franco auf den Kopf gestellt. © Reuter, Norman

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat das Leben von Andrea Franco auf den Kopf gestellt. Sie leidet unter Long Covid.

Eddelstorf – Andrea Franco sagt von sich: „Eigentlich bin ich eine Powerfrau.“ Sie hat den Beruf der Erzieherin in einer Kindertagesstätte gewählt, ist Mutter von drei Töchtern. Sie liebe es zu kochen, zu lesen, sich mit Freunden zu treffen – „eigentlich“, sagt sie wieder.

All das, was sie gerne macht, ist für sie inzwischen schwierig geworden. Kopf- und Gliederschmerzen setzen ihr zu, sie leidet unter Schwächezuständen, und es fällt ihr schwer, sich zu konzentrieren, wie sie schildert. „Es gibt Tage, da kann ich nur liegen“, sagt Andrea Franco. Es seien Folgen zweier Infektionen mit dem Corona-Virus, erklärt die 55-Jährige. Sie gehöre zu den Long-Covid-Patienten.

Da ist eine enorme Schwäche. Ich kann mich nicht konzentrieren, habe Wortfindungsstörungen.

Andrea Franco


„Long Covid“ ist im Laufe der Pandemie als Krankheitsbild entdeckt worden. Darunter werden Langzeitfolgen von Infektionen mit dem Corona-Virus verstanden. Die Forschung dazu steckt noch in den Kinderschuhen. Wie viele Betroffene es gibt, dazu sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) der Rheinischen Post im Januar: „Schätzungen gehen von fünf bis zehn Prozent aus. Das bedeutet für den Einzelnen häufig einen harten Schicksalsschlag und kann sogar für den Arbeitsmarkt relevant werden, wenn die Anzahl der Erkrankten weiter steigt.“

Long Covid kennt wie der Virus selbst auch keine Ländergrenzen. Am kommenden Mittwoch, 15. März, ist der erste internationale Long Covid Awareness Day geplant, um das Krankheitsbild stärker ins Bewusstsein zu rufen. Andrea Franco hat sich entschieden, nun öffentlich über ihre Symptome zu sprechen.

Besonders ängstlich sei sie nicht gewesen, was eine Corona-Infektion betrifft, berichtet sie der AZ. „Meine Sorge war eher, dass ich es weitertragen könnte, und das Folgen hat“, sagt sie. Das erste Mal steckt sich Franco mit dem Virus mutmaßlich bei einer beruflichen Fortbildung zu Jahresbeginn 2022 an. Eine Teilnehmerin, mit der sie Kontakt hatte, schreibt ihr nach der Fortbildung, sie habe Corona. Sie selbst entwickelte auch Grippesymptome. Der Test: positiv.

Schon während der Infektion habe sie unter Erschöpfungszuständen gelitten – sie bleiben, auch als alle Testergebnisse bereits wieder negativ sind. Hinzu seien plötzliche Schmerzzustände gekommen. „Ich habe das anfangs nicht zu ernst genommen“, sagt Franco.

Als im Juni der Test wieder positiv ausfiel, „ging es richtig bergab“, so die 55-Jährige. Die Symptome haben ihren Schilderungen zufolge ein solches Ausmaß angenommen, dass sie nicht mehr als Erzieherin arbeiten könne. „Da ist eine enorme Schwäche. Ich kann mich nicht konzentrieren, habe Wortfindungsstörungen.“ Das komme in Schüben. „Der Körper fühlt sich wie zum Boden gezogen an“, umschreibt sie akute Phasen.

Mit jedem neuen Fall wird das Sozialsystem mehr belastet.

Andrea Franco


Sie hat sich auf Ursachen für ihren Zustand untersuchen lassen, ohne Befunde, die ihn erklären. Zur Behandlung von Long-Covid-Patienten sind spezialisierte Ambulanzen aufgebaut worden. Franco hat in Hamburg, Hannover und Berlin bei solchen Ambulanzen Hilfen gesucht. Das Problem jedoch: „Die behandeln vor allem Patienten aus dem direkten Umfeld“, schildert Franco. Damit habe sie das Nachsehen gehabt.

Franco baut auf die Forschung, wünscht sich schnelle Ergebnisse und Behandlungsmethoden. Ab Mai nimmt sie an einer Studie zu möglichen Präparaten teil.

Karl Lauterbach hat im Januar für die Forschung einen Betrag von 100 Million Euro in Aussicht gestellt. Zuletzt wurde Kritik daran laut, dass von mehr als 70 beantragten Forschungsprojekten nur 15 bewilligt wurden. „Es muss möglichst viel geforscht werden“, sagt Franco. „Mit jedem neuen Fall wird das Sozialsystem mehr belastet.“ Wer sage, so etwas wie Long Covid existiere nicht, dem halte sie entgegen: „Lebe einen Tag in meinen Schuhen.“

Sie halte nichts von Aufgeben, verfalle nicht in wirre Theorien, sagt sie. Die Politik habe, so aus ihrer persönlichen Warte, das Richtige in der Pandemie entschieden, um Menschen zu schützen. Die Schmerzen, die Schwäche, das gehöre jetzt zu ihrem Leben. Sie gibt unumwunden zu, „wütend“ darüber zu sein. „Ich bin jetzt vom Leben abgeschnitten. Aber auf wen soll ich ein Groll haben?“, sagt Franco.

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