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Jahrmarkttheater Bostelwiebeck: Zehn Jahre Schauspiel ohne Vorhang

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Von: Gerhard Sternitzke

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Anja Imig und Thomas Matschoß zwischen Kostümen.
Anja Imig (53) und Thomas Matschoß (67) im Fundus des Jahrmarkttheaters Bostelwiebeck. Die Kostümbildnerin und der Autor und Regisseur brechen die Grenzen zwischen Schauspielern und Zuschauern auf © Sternitzke, Gerhard

Auf dem Dachboden des Bauernhauses in Bostelwiebeck hängen sie auf langen Kleiderstangen: unzählige Kostüme aus 15 Jahren Jahrmarkttheater, seit zehn Jahren direkt auf dem Hof. Der Fundus: ein Paradies für Kinder, und ein bisschen muss man ja Kind bleiben als Theatermacher, immer neugierig und experimentierfreudig. Das gilt jedenfalls für die Thomas Matschoß (67) und seine Frau Anja Imig (53), die das Jubiläum am Sonnabend, 25. Februar, mit einem ausverkauften Lieder- und Geschichtenabend feiern.

Bostelwiebeck – 30 eigene Stücke, 26 „Dorfgedanken“ und geschätzte 100 Gastspiele haben der Regisseur und Autor sowie die gelernte Kostümbildnerin, die ihre Kostüme selbst näht, auf die „Bühne“ gebracht.

Wobei der Begriff nicht so eng zu sehen ist. Im Theatersaal im ehemaligen Kuhstall gibt es keinen Vorhang, die Bühne ist so schmal wie ein Laufsteg, und am liebsten wandern die Theatermacher, zu denen bislang auch Andrea Hingst gehörte, mit dem Publikum von Station zu Station über das Hofgelände. Dabei ergibt es sich fast von selbst, dass Schauspieler und Besucher in Kontakt miteinander kommen.

Keine Grenzen zwischen Schauspielern und Publikum

Das ist der Kern des Jahrmarkttheaters. „Wir feiern ein Theater, das keine Grenzen zwischen Theater und Menschen aufmacht“, erklärt Anja Imig. Ganz zwanglos, wenn auch beileibe nicht gedankenlos, geht es hier zu – wie auf dem Jahrmarkt eben – und mancher stellt fest, dass er viel früher ins Theater gegangen wäre, wenn er das gewusst hätte. Diese Nahbarkeit kultiviert Thomas Matschoß mit seinem Alter Ego „Oma Sanne“, denn wer würde sich in den „Dorfgedanken“ scheuen, mit der alten Frau aus dem Dorf einen Schnack zu halten?

Anerkennung für die innovative Herangehensweise in der Provinz gab es auch aus der Hauptstadt. „Das Jahrmarkttheater sammelt die Themen auf der Dorfstraße, verarbeitet sie und lockt ein überregionales Publikum an“, hieß es 2021 in der Begründung zur Verleihung des Deutschen Theaterpreises. Es gelinge den Bostelwiebeckern, ihre Nachbarn zu verführen, sich auf zeitgenössische Formate und Formen einzulassen, vertraute Pfade zu verlassen, sich der Lust am Spiel und der Erfindung neuer Welten zu überlassen.

Der Name der Bühne entstand 2005, als Matschoß zum letzten Mal mit seiner Truppe in der Hamburger Hafencity auftrat, nämlich auf dem „Jahrmarkt des Abschieds“. Acht Jahre lang ab 2005 bespielte das Jahrmarkttheater dann den Hof Krewet in Wettenbostel rund um den Gartenteich. Dann ging es auf das heimische Gelände und in den neu eingerichteten Theatersaal mit 100 Plätzen in Bostelwiebeck. Der Grund war ein ganz banaler, die langen Fahrten.

Kein Theater trägt sich nur aus dem Eintritt der Gäste. Viel Zeit investieren die Theatermacher deshalb – und das immer wieder erfolgreich –um öffentliche Zuschüsse zu beantragen. Inzwischen nicht mehr nur für die eigenen Auftritte, sondern auch für Gastspiele anderer, auch internationaler Ensembles, darunter inzwischen auch Tanz- und in diesem Jahr Figurentheater.

Thomas Matschoß schreibt die meisten Stücke selbst

Die meisten Stücke hat Matschoß selbst geschrieben, immer ging es ihm auch um die Anwendbarkeit auf unsere Gegenwart. So auch im Hauptstück der neuen Saison, diesmal jedoch von Mitarbeiterin Kristina Browns verfasst, „Die Spur des Verwindens“, das von Theatergruppen aus mehreren Ländern gestaltet wird – eine Zeitreise. Aber ohne Publikum kein Theater, weiß Matschoß. „Es ist toll, dass das Publikum dieses Theater mit uns geschaffen hat. Das Theater ist das Publikum.“

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