Auch Zeuge zwei, ebenfalls nach eigenen Angaben ein Freund des Angeklagten, kann sich an vieles nicht erinnern. Verteidiger Rüdiger Proest zieht seine Aussagen im Vorwege in Frage, denn er sei wegen einer Falschaussage bereits verurteilt. Auf Nachfrage von Richterin Silja Precht nach gemeinsamen wöchentlichen Fahrten mit einem Mietwagen nach Hamburg korrigiert er seine Aussage aus der polizeilichen Vernehmung. „Die anderen waren essen, ich war den Stoff holen“, erklärt er.
Zwei Zeugen werden vergeblich zur Aussage aufgerufen. Sie werden mit einem Bußgeld belegt. Ingesamt sind für den ersten Verhandlungstag sechs Zeugen geladen, für einen Fortsetzungstermin am 19. Januar ein weiterer. Ein dritter Termin ist für den 11. Februar angesetzt.
Der Angeklagte macht zunächst keine Aussage zu den Vorwürfen. Er berichtet jedoch, dass er mit 16 oder 17 Jahren Bekanntschaft mit Drogen macht. Die Elektriker-Lehre nach der Realschule bricht er wohl aufgrund seines Konsums ab. Zeitweise braucht er zwei bis zehn Gramm Marihuana am Tag. Die vorläufige Festnahme wegen der Drogengeschäfte ist offenbar ein heilsamer Schock. W. beendet den Konsum, übersteht auch die Entzugserscheinungen der ersten zwei Wochen.
„Seitdem merke ich, dass es vom Kopf viel besser geht – logisches Denken“, berichtet der Angeklagte, der nicht vorbestraft ist. In seiner Aussage vermittelt er einen gefestigten Eindruck. Er lebt zu Hause bei seinem Vater, arbeitet regelmäßig in dessen Betrieb. „Er hat mich aufgenommen und aufgepasst“, sagt der 23-Jährige. „Ich hatte da viel Unterstützung.“
Er war im Oktober 2020 nicht das einzige Ziel der Polizei. Im Durchsuchungsbericht ist von einer großangelegten Aktion der Polizei die Rede. Der zweite Zeuge berichtet auf Nachfrage, dass er den Stoff per Encrochat bestellte. „Ich hab’ bestellt und habe die Zeit bekommen und wo ich es bekomme“, erklärt er. Der verschlüsselte Messengerdienst mit eigenen Krypto-Handys wurde überwiegend im kriminellen Milieu genutzt.
2020 knackten französische Behörden das Netzwerk. Laut Wikipedia wurden aufgrund der Erkenntnisse 1000 Personen festgenommen. Allein das Bundeskriminalamt prüfte mehrere hunderttausend Chatverläufe und leitete Ermittlungen gegen 3000 Nutzer in Deutschland ein.