Skurril an dem Vorfall vom 14. Dezember 2021: Das vermeintliche Opfer der unsittlichen Annäherung hatte zwar Anfang des Jahres Anzeige gegen den 49-Jährigen erstattet, tat dies aber erst, nachdem die Heimleitung „inständig“ darum gebeten habe. „Ich selbst war unschlüssig, weil ich ja keine psychischen Schäden davongetragen habe. Für mich war das erledigt, ich war nur drei Tage über ein Agentur dort vor Ort“, schilderte sie. Angeblich aber hätten bereits im Vorfeld zwei Mitarbeiterinnen gekündigt, weil sie von dem Angeklagten wiederholt bedrängt worden seien.
Eine dieser Frauen war als Zeugin geladen – und revidierte die Gerüchte: „Das hatte gar nichts mit ihm zu tun. Für mich waren einfach die Umstände dort nicht mehr tragbar. Er umarmt halt gerne zur Begrüßung, ist schnell auf mich zugekommen – aber das war keine Belästigung.“ Ein anderer Kollege des Angeklagten kannte auch keines dieser Gerüchte und bestritt, der Aushilfe gegenüber von zwei Kündigungen im Zusammenhang mit Übergriffen gesprochen zu haben.
Warum offenbar die Heimleiterin darauf gepocht hatte, dass die über eine Personalagentur in Quickborn gebuchte Aushilfspflegekraft Anzeige gegen den 49-Jährigen (vertrat sich selbst) erstatten sollte, blieb im Prozess völlig im Dunkeln.
Konkret war dem Mann zur Last gelegt worden, sich der 50-jährigen Frau in einem Bewohnerzimmer unsittlich von hinten genähert und sich an diese gedrückt zu haben, so dass sie sein Genital gespürt habe. Der wiederum beharrte darauf, dass dies anatomisch bei ihm kaum möglich sei und dass es vielmehr die Telefone, Schlüsselbunde und Pflegeutensilien gewesen seien, die er aus dem Nachtdienst in seinem Kasack – einem Pflegekittel – mitgeführt habe.
Das Opfer meinte, von Tag eins an von dem Pfleger immer wieder Körperkontakt gesucht und agiert wie ein Kumpel. Sie habe wohl in dessen „Beuteschema“ gepasst, habe ihm aber klar signalisiert, dass er sich hinten anstellen solle – vorher seien andere dran...
Angeklagter und Opfer mussten dem Gericht den Grundriss des Zimmers aufzeichnen, in dem sich alles abgespielt hatte. Die Bilder ähnelten sich. Über die Details des Vorfalls – vor allem zur Übergabe eines dienstlichen Telefons vom Nacht- an Frühdienst – wichen die Episoden indes voneinander ab.
Richter Walter Graf Grote schlug vor, das Verfahren gegen eine symbolische Zahlung des finanziell stark limitierten Angeklagten an den Kinderschutzbund Uelzen einzustellen, was die Staatsanwaltschaft ablehnte. So kam es doch zum Urteilsspruch. Der 49-Jährige verließ am Ende rein rechtlich gesehen unbescholten, aber mit einer wichtigen Lektion im Kopf das Gerichtsgebäude. Gegen einen Strafbefehl hatte er Einspruch eingelegt, deshalb kam es gestern zur mündlichen Verhandlung.