Handspiel, Abseits, Gelbe Karten

Auch in der neuen Saison greifen im Fußball zahlreiche Regeländerungen. Unparteiische sowie die Beobachter und Coaches bereiten sich intensiv auf die Neuerungen vor.
Uelzen/Landkreis – Keine Saison ohne Regeländerungen – auch mit dem Start der Serie 2020/2021 haben sich die Aktiven (Spieler, Schiedsrichter), die Referee-Beobachter und Coaches, die Teamoffiziellen und natürlich alle Fans auf einige Neuerungen einzustellen.
Für die AZ hat DFB-Schiedsrichter-Beobachter und Schiedsrichter-Coach Marco Haase (49, SV Holdenstedt) die wichtigsten Änderungen zusammengestellt: „Hauptziel der Regeländerungen ist es seit Jahren im Endeffekt immer, den Fußball schneller und damit attraktiver zu machen, auch wenn es zur neuen Saison eher um Feinheiten geht – und, vor allem, es sollen noch mehr Tore fallen“, so Marco Haase, der auch Mitglied im Kreisschiedsrichterausschuss des NFV-Kreises Heide-Wendland ist, im Gespräch mit der AZ. „Und wenn man sich beispielsweise Begegnungen aus den 1970er oder 80er Jahren anschaut, wo man den Eindruck hat, die spielen Standfußball, dann zeigt dies, dass sehr viele Regeländerungen ihren positiven Sinn hatten.“
Regel 10 – Bestimmung des Spielausgangs:
Wer beim Elfmeterschießen bei Null anfängt

Hier gibt’s einige Änderungen. Wenn ein Spieler während des Spiels mit Gelb/Rot oder Rot vom Platz fliegt, darf er nicht am Elfmeterschießen teilnehmen. Aber: Wenn er in der regulären Spielzeit bereits eine Gelbe Karte kassiert hat, fällt dieser Karton nach Spielende weg. Fällt der Akteur beim Elfmeterschießen noch einmal unsportlich auf und bekommt Gelb, gibt’s ab sofort kein Gelb/Rot, sondern nur Gelb. Gleiches gilt für die mündliche Ansprache durch den Schiedsrichter, die Ermahnung während des Spiels, sich fairer zu verhalten. Auch diese ist beim Elfmeterschießen vergessen. Marco Haase: „Ob diese Änderung zu mehr oder eher weniger Fairness auf dem Platz führt, sei mal dahingestellt – wir werden das Ganze genau beobachten.“
Wenn der Torwart beim Elfmeterschießen ein Vergehen begeht, zum Beispiel zu früh die Linie verlässt, und dadurch entsteht eine Wiederholung, dann wird der Torwart zunächst ermahnt, das heißt, nur angesprochen. Wenn der Keeper sich danach noch einmal nicht regelkonform verhält, dann kassiert er die Verwarnung, wie es im Fachjargon heißt, also die Gelbe Karte.
Und noch eine Modifikation: Wenn der Schütze beim Elfmeterschießen unerlaubt täuscht, dann wird er sofort verwarnt, und der Elfmeter gilt als verschossen.
Regel 11 – Abseits:
Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift. Wenn’s mal so einfach wäre… Es gibt Anpassungen bei der strafbaren Abseitsposition. So wird ein im Abseits stehender Stürmer nicht mit dem indirekten Freistoß bestraft, wenn er den Ball von einem Verteidiger erhält, und dieser den Ball absichtlich spielt, und zwar gilt das auch für ein absichtliches Handspiel. Ein absichtliches Handspiel gilt bei einer Abseitsstellung als absichtliche Aktion, und dann bleibt die Fahne des Assistenten unten und die Pfeife des Referees stumm.
Marco Haase: „Die Abseitsregel ist übrigens eine Schutzregel für die verteidigende Mannschaft und ist unabdingbar für ein attraktives Fußballspiel. Würden wir sie abschaffen, dann hätten wir einen völlig neuen Sport, denn dann würde sich das Geschehen, wie beim Handball am Kreis, nur an den Strafräumen abspielen – und das möchte beim Fußball auf solch einem großen Spielfeld doch keiner sehen. Der Fußball lebt von Angriffen, Kombinationen, langen Pässen, Zweikämpfen.“
Regel 12 – Fouls und unsportliches Betragen:
Hand ist Hand? Es kommt drauf an…
Die Regel 12 - eine der wichtigsten Regeln im Fußballsport. Auch dieses Jahr gibt’s, wieder einmal, zahlreiche Änderungen, zum Beispiel beim Thema Handspiel. Ein Handspiel liegt nur dann vor, wenn der Ball den Arm bis zur Achselhöhle berührt. Marco Haase: „Das bedeutet, die Schulter gehört nicht zu Hand und Arm – anatomisch natürlich schon, aber was die Bewertung des Handspiels im Fußball betrifft. Für den Schiedsrichter ist es einfach, denn die Hand beginnt für ihn in der Regel dort, wo beim Kurzarm-Trikot die Ärmel oben an der Schulter aufhören.“
Ein Handspiel wird ab sofort immer bestraft, wenn ein Stürmer direkt mit dem Arm oder der Hand ins Tor trifft – egal, ob es sich um ein absichtliches oder unabsichtliches Handspiel handelt. Beispiel: Dem Stürmer wird im Strafraum die Kugel vom Verteidiger aus einem Meter Entfernung an den normal gehaltenen Arm geschossen, und von dort aus prallt das Leder ins Netz. Früher Tor, heute nicht mehr, es gibt den direkten Freistoß für die verteidigende Mannschaft. Ebenfalls pfeift der Unparteiische ab sofort zurück, wenn der Stürmer oder ein Mitspieler den Ball mit der Hand oder dem Arm (bis zu den Achseln, siehe oben) berührt, und unmittelbar danach zu einer Torchance kommt oder ins Tor trifft. Marco Haase: „Wichtig: Das Ganze muss wirklich unmittelbar ablaufen – wenn ein unabsichtliches Handspiel passiert, und bis zum Torerfolg kommt es noch zu mehreren Pässen und Dribblings, dann zählt der Treffer.“
Wenn Torwarte strafbare Handspiele begehen
Fangfrage: Und was ist mit den Torhütern? Marco Haase: „Für den Keeper gelten außerhalb seines eigenen Strafraums natürlich dieselben Regeln wie für alle Feldspieler.“ Aber – auch der Torwart kann innerhalb seines eigenen Strafraums ein unerlaubtes Handspiel begehen. Nimmt er die Kugel nach einem Einwurf von seinem Mitspieler oder einem absichtlichen Zuspiel auf, dann gibt’s den indirekten Freistoß für das gegnerische Team. Eine persönliche Strafe, sprich: Karte, gibt’s dann nicht.
An den Kragen geht’s den Torhütern, wenn sie nach einer Spielfortsetzung (zum Beispiel Abstoß oder Freistoß) den Ball unerlaubterweise ein zweites Mal berühren (egal, ob mit der Hand oder dem Fuß) und dabei einen aussichtsreichen Angriff der angreifenden Mannschaft verhindern – denn dann kassieren sie neben dem indirekten Freistoß als Spielstrafe auch den gelben Karton als Persönliche Strafe. Verhindert der Keeper dabei gar eine glasklare Torchance oder ein Tor, dann wird er mit Rot des Feldes verwiesen.
Disziplinarmaßnahmen: „Einen Schritt zurück“

Disziplinarmaßnahmen sind die Persönlichen Strafen, also die Karten Gelb, Gelb/Rot und Rot, im Jugendbereich auch die Zeitstrafe. Generell sollten die Unparteiischen nach einem Foul und Freistoßpfiff erst die fällige Karte präsentieren und dann die Spielfortsetzung zulassen. Ausnahme: Die schnelle Ausführung eines Freistoßes führt zu einer großen Torchance (quasi zu einem Riesen-Vorteil). Wenn der Freistoß ausgeführt und seine Wirkung erzielt hat (egal, ob ein Tor fiel oder nicht), und der foulende Spieler hätte durch sein Vergehen eine eindeutige, riesengroße Torchance verhindert, dann erhält er nun nicht mehr die Rote, sondern nur die Gelbe Karte. Hätte er durch sein Foul einen aussichtsreichen Angriff verhindert, und Gelb wäre dafür fällig gewesen, dann hat er Glück: Er bekommt nun, nach der schnellen Ausführung des Freistoßes, keine Karte.
Marco Haase: „Das Verfahren ist genau wie bei der Vorteilsanwendung – immer einen Schritt zurück. Statt Rot dann Gelb. Statt Gelb dann nichts.“ Aber: Wenn das Foul aufgrund des rücksichtslosen oder brutalen Einsteigens auf jeden Fall Gelb oder Rot zur Folge gehabt hätte, dann gibt’s die Farbe natürlich trotzdem. Beispiel: Blutgrätsche von hinten in die Beine, eigentlich Rot, die angreifende Mannschaft führt schnell aus, erzielt, wenn es gut läuft ein Tor – dann bekommt der Verteidiger trotzdem die Rote Karte. Marco Haase: „Die Regel ,einen zurück‘ greift nur bei der Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffes oder einer glasklaren Torchance – also Vergehen, bei denen es nicht wegen ihrer Intensität die Verwarnung oder den Feldverweis gegeben hätte.“
Auch beim Schiedsrichter-Ball kann es Gelb geben

Abstand ist in diesen Zeiten vonnöten, beim Fußball gibt’s in zahlreichen Situationen Abstandsregelungen. Beim Schiedsrichter-Ball müssen die Spieler beider (!) Teams mindestens vier Meter entfernt stehen. Beim Einwurf müssen die Gegner zwei Meter von der Seitenlinie entfernt stehen, bei Frei- und Eckstößen 9,15 Meter. Missachtet ein Spieler diesen Mindenstabstand (beim Schiedsrichter-Ball gilt das nicht nur für die Gegner), dann ist eine Pflichtverwarnung fällig. Marco Haase: „Ein routinierter Unparteiischer ahnt so etwas allerdings vorher und kann mit zwei, drei passenden Sätzen für Abstand sorgen und sich den gelben Karton sparen.“
Regel 14 – Strafstoß:
Diese Regel hat es in sich, hier müssen die Schiedsrichter mögliche Vergehen und die Folgen aus dem FF beherrschen, damit es keine Regelverstöße gibt.
Wenn der Torhüter gegen die Regeln verstößt, sich zum Beispiel zu früh mit beiden (!) Füßen von der Linie bewegt, und der Ball geht ins Tor, dann zählt der Treffer natürlich (Vorteilsbestimmung). Wenn der Keeper den Ball abwehrt, wird der Strafstoß wiederholt. Wenn der Ball allerdings das Tor verfehlt oder von Pfosten oder Latte zurückspringt, gibt es nur dann eine Wiederholung, wenn das Vergehen des Torwarts den Schützen wirklich gestört hat. Wenn die Verfehlung des Torwartes zu einer Wiederholung führt, wird er beim ersten Mal lediglich ermahnt, also mündlich auf sein Fehlverhalten hingewiesen. Bei jedem weiteren Vergehen gibt es dann die Gelbe Karte. Marco Haase: „Die Vergehen und Konsequenzen müssen die Unparteiischen in- und auswendig drauf haben – und alle Spieler, Trainer und Fans am besten auch. Ich empfehle dazu die Tabelle auf Seite 96 des aktuellen Regelwerks – wer die Fälle drauf hat, ist sehr gut gerüstet.“
Regel 16 – Abstoß:
Der Torwart meint, er sei schlau: Er lupft den Ball beim Abstoß zu einem Mitspieler, und dieser spielt ihn per Kopf oder Brust wieder zurück, damit der Keeper das Leder wieder in die Hand nehmen kann. Marco Haase: „Mitnichten: Der Abstoß muss wiederholt werden – so einfach kann sich der Torhüter keinen Abschlag aus der Hand erschleichen. Beim ersten Mal kommt er noch mit einer Ermahnung davon, ab dem zweiten Mal gibt’s den gelben Karton.“
Nur mal gehört haben - weitere Neuerungen:
Regel 1 – Das Spielfeld:
Torpfosten und Querlatte müssen quadratisch, rechteckig, rund oder elliptisch sein – oder ab sofort eine Kombination davon. Marco Haase: „Neu ist, dass eine Kombination möglich ist. Aber: Nur mal gehört haben, es gibt Wichtigeres. Und wir erinnern uns ja noch gut an Vereine, die rot-weiße Pfosten hatten – das war eigentlich nie erlaubt, hat aber, mit Recht, keinen wirklich gejuckt. Es kommt darauf an, dass nichts Gefährliches am Tor ist.“

Lediglich redaktionelle Änderungen und Textanpassungen gibt es in der Regel 2 (Der Ball), und zwar beim Vorgehen, wenn der Ball im laufenden Spiel kaputt geht – dann gibt es den Schiedsrichter-Ball. Und wenn die Kugel beim Anstoß, Eckstoß, Freistoß, Einwurf oder Strafstoß den Geist aufgibt, dann eine Wiederholung der Spielfortsetzung. Beim Strafstoß zu beachten: Die Wiederholung gibt’s nur dann, wenn sich der Ball auf dem Weg nach vorne befindet und noch nicht von einem anderen Spieler berührt wird oder regelgerecht im Tor landet. Auch in anderen Bereichen des Regelwerks gab es kleine Textanpassungen, zum Beispiel in der Regel 12, aber hier haben wir den Mut zur Lücke.
Infos für alle interessierten Regelfüchse
Wer sich die aktuellen Regeländerungen noch einmal anhören und ansehen möchte: Für alle Interessierten gibt es ein aktuelles Video, das Sebastian Warnecke, Mitglied im Schiedsrichterausschuss des NFV-Kreises Heide-Wendland, produziert hat. Sebastian „Tippy“ Warnecke gehört dem Lehrteam an und ist auch für Beobachtungen zuständig. Abrufbar ist das Video auf der Seite der Heide-Wendland-Unparteiischen, dort unter der Rubrik „Lehr-Reich“: https://www.schiri-hwk.de/
Und hier der Direktlink:
https://onedrive.live.com/?authkey=%21ADRCVDNdpvZpPhk&id=1DE24E7A958E5899%2113760&cid=1DE24E7A958E5899
Übrigens, alle Regelfüchse, die es ganz genau wissen wollen, können sich das aktuelle Fußball-Regelwerk hier kostenlos herunterladen:
https://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/225053-Fussball-Regeln_2020_21_RZ.indd.pdf
Die Änderungen gegenüber dem Vorjahr sind im Regelwerk hervorgehoben. Marco Haase: „Ich empfehle jedem Fußball-Fan die intensive Lektüre – schöner Nebeneffekt: Dann wird bei Fußballspielen weniger gemosert, denn alle können sehen, wie gut und richtig es die Unparteiischen eigentlich machen.“