Frust bei Werder Bremen, weil die Einstellung gegen den FC Ingolstadt nicht stimmt

Bremen – Vor einer Woche gab es noch Riesenjubel, dass der SV Werder Bremen endlich mal wieder Tabellenführer war, diesmal dagegen nur ziemlich lange Gesichter. Das 1:1 (0:0) im Heimspiel gegen den FC Ingolstadt schmerzte einfach zu sehr, da war der erneute Sprung an die Tabellenspitze der 2. Liga überhaupt kein Trost. Denn Werder hatte ziemlich fahrlässig eine große Chance liegen gelassen, die am Ende der Saison ein weiteres Mal richtig wehtun könnte. „Ich glaube, dass wir nicht überall mit 100 Prozent da waren – und dann kostet das halt gegen den Tabellenletzten am Ende wichtige Punkte“, ärgerte sich Niclas Füllkrug, dessen Führungstreffer aus der 75. Minute nicht ausgereicht hatte. Filip Bilbija gelang noch der Ausgleich (85.) und machte damit bei den Grün-Weißen ein Einstellungsproblem zum Thema.
„Es ist keine Katastrophe, wenn du nach sieben Siegen das achte Spiel nicht gewinnst“, wollte Werder-Coach Ole Werner seinen ersten Bremer Rückschlag in seiner typisch norddeutschen Art nicht überbewerten. Möglicherweise wird es ihm sogar gefallen, dass er nun nicht mehr auf den Startrekord von Otto Rehhagel angesprochen wird. Dessen acht Siege in Folge aus dem Jahr 1981 bleiben bei Werder Bremen einmalig. Bei aller Nüchternheit sparte Werner aber nicht mit Kritik an seiner Mannschaft. „Wir haben zu lange gebraucht, um die Dinge wie gewünscht umzusetzen. Dann haben wir es gut gemacht, die letzten sieben, acht Minuten aber nicht mehr. Deswegen sind wir unzufrieden“, ärgerte sich der Trainer und monierte: „Wir haben nicht die 100-prozentige Wertschätzung für jede einzelne Szene auf den Platz gebracht, und es kann nun einmal jede Szene entscheidend sein.“ Das ist umso ärgerlicher, weil Werner die Partie im Vorfeld als Schlüsselspiel deklariert hatte – mental und sportlich, weil es eben nicht so einfach gegen einen tief stehenden Tabellenletzten ist.
Werder Bremen: Trainer Ole Werner mit den letzten Minuten gegen den FC Ingolstadt unzufrieden
Die Warnung scheint nicht bei allen Profis hundertprozentig angekommen zu sein. Dieses kleine Bisschen an fehlender Konzentration war schon nach wenigen Sekunden zu sehen gewesen. Anthony Jung spielte den Ball zu kurz auf Keeper Jiri Pavlenka zurück, der Ingolstadts Florian Pick gerade noch so stoppen konnte. Werder Bremen bestimmte zwar fortan das Spielgeschehen, erarbeitete sich aber keine echten Chancen, obwohl die Kugel zwischenzeitlich durchaus gefällig durch die eigenen Reihen wanderte – aber oft halt viel zu langsam. Ole Werner vermisste das nötige Balltempo. Bei den Gästen, die wie erwartet auf Konter setzten, ging es manchmal viel schneller – und Bilbija ließ dabei zwei Hundertprozentige (36. und 41.) liegen. Auf der anderen Seite war immerhin ein Füllkrug-Kopfball an die Latte geklatscht (41.).
Werners Pausenansprache muss gefruchtet haben, Werder wurde nun endlich gefährlicher. Es dauerte trotzdem bis zur 70. Minute, ehe Niclas Füllkrug die 15.000 Zuschauer, die im Wohninvest Weserstadion dabei sein durften, erlöste. Eine Jung-Flanke wuchtete er mit dem Kopf in die Maschen – ein Tor des Willens, ein typisches Füllkrug-Tor eben, garniert mit einem kuriosen Torjubel. Der Bann schien gebrochen. Werder Bremen marschierte weiter, aber Christian Groß und Jung verpassten knapp das 2:0 (83.). „Da müssen wir den Sack zumachen“, haderte Ole Werner. Der dann mitansehen musste, dass der bis dahin überragende Toprak ein Kopfballduell im Strafraum verlor und Marco Friedl gegen Bilbija einen Tick zu spät kam – 1:1 (85.). Stille in der Arena, ein Schock. Mit der Rückkehr des Tabellenletzten FC Ingolstadt hatte wahrlich keiner gerechnet – nicht mal dessen Trainer Rüdiger Rehm, der auch auf die vielen Corona-Infektionen in seinem Team in der jüngeren Vergangenheit hinwies: „Dann noch einmal aufzustehen – Hut ab vor meiner Mannschaft.“
Werder Bremen: Ole Werners Elf nach der Pause mit mehr Druck, doch die Grün-Weißen verpassen die Vorentscheidung
Eine Aussage, die das Unentschieden für Werder Bremen noch schmerzhafter machte. Denn so ein Gegner muss im Aufstiegsrennen einfach bezwungen werden. Doch diesmal gab es kein Bremer Happy End, weil auch eine weitere Serie riss: Marvin Ducksch blieb erstmals nach sieben Spielen ohne Tor, er glänzte auch nicht wie sonst als Vorbereiter. Richtig schlecht war er nicht, aber eben auch nicht richtig gut – und das zog sich fast durch die ganze Mannschaft.
Nach der Partie gegen den FC Ingolstadt bat Ole Werner sein Team zum obligatorischen Kreis auf dem Rasen, um ein paar Worte an die Spieler zu richten. Eine Brandrede war es angeblich nicht, auch in den nächsten Tagen will der Coach bei aller Enttäuschung eher ruhig bleiben. „Wir werden die Dinge aufarbeiten und Lösungen entwickeln. So machen wir das aber immer“, betonte Werner. Und dennoch wird sich in den nächsten Tagen etwas ändern. Um die nötige Einstellung macht sich der Trainer des SV Werder Bremen jedenfalls keine Sorgen, denn als nächstes steht das Nordderby beim Hamburger SV auf dem Spielplan. Bei Werder steigt bereits die Vorfreude. „Die Aufmerksamkeit wird da sein. Es wird vom ersten Trainingstag an prickeln, das wird man auch merken“, meinte Werner. Die Hamburger gehen ebenfalls mit der Enttäuschung eines 1:1 (in Sandhausen) in diese besondere Partie. Ob sie dann einen Spitzenreiter empfangen werden, wird sich zeigen. Weil der FC St. Pauli (0:3 gegen Hannover 96) und Darmstadt 98 (1:1 gegen Hansa Rostock) am Sonntag patzten, ist Werder allerdings auch nach Abschluss des 23. Spieltags Tabellenerster in der 2. Liga. (kni)