Mit Geduld, aber ohne Tore: Werders Remis gegen den 1. FC Nürnberg in der Taktik-Analyse

Bremen - Erneut dominiert Werder Bremen den Gegner – und schon wieder endet die Partie 1:1. Auch gegen den 1. FC Nürnberg gelang es Werder, die Partie weitestgehend in die gegnerische Hälfte zu verlegen. Doch wie schon gegen Sandhausen und St. Pauli fehlte der Killer-Instinkt, meint unser Taktik-Kolumnist Tobias Escher.
25, 14, 19. Das sind nicht etwa die Lottozahlen des Wochenendes, sondern die Zahl der Torschüsse, die Werder Bremen in den vergangenen drei Partien abgegeben hat. Bereits gegen Sandhausen und St. Pauli lieferte Werder ein gutes Spiel ab, vergab aber zu viele Chancen. Das Schicksal wiederholte sich gegen den 1. FC Nürnberg. Besonders nach der Pause dominierte Werder den Gegner mit Geduld und Passgenauigkeit. Doch sobald es in den Strafraum ging, scheiterte Werder an der eigenen Entscheidungsfindung.
Werder Bremen-Remis gegen den 1. FC Nürnberg in der Taktik-Analyse: Gäste überzeugen durch defensive Stabilität und Variabilität
Aus taktischer Sicht dürfte Ole Werners Aufstellung keinen Bremen-Fan mehr überraschen. Im 15. Pflichtspiel unter seiner Ägide trat Werder Bremen zum 15. Mal in einem 5-3-2-System an. Nicklas Füllkrug und Marvin Ducksch bildeten den Doppelsturm, dahinter agierten mit Leonardo Bittencourt und Romano Schmid die zwei Stamm-Achter. Die Flügel waren erneut asymmetrisch besetzt: Felix Agu stand auf der rechten Seite höher als Anthony Jung auf dem linken Flügel.
Der 1. FC Nürnberg begann die Partie mit einer ähnlichen Formation. Auch Gäste-Trainer Robert Klauß stellte seine Abwehr in einer Fünferkette auf, vorne setzte er auf einen Doppelsturm. Der Hauptunterschied beider Formationen lag im Mittelfeld: Mats Møller Dæhli agierte als Zehner vor einer Doppelsechs. Nürnberg spiegelte damit die Bremer Formation: Møller Dæhli stand gegen Werder Bremens Sechser Nicolai Rapp, die Nürnberger Doppelsechs deckte Bremens Doppelacht.

Der 1. FC Nürnberg überzeugt in dieser Zweitliga-Saison besonders durch ihre defensive Stabilität und ihre Variabilität. Auch gegen Werder Bremen war dies ihr großes Plus. Møller Dæhli schoss aus dem Mittelfeld immer wieder nach vorne, um zusammen mit den beiden Stürmern die Bremer Verteidiger anzulaufen. Møller Dæhli füllte die Rolle als vorderste Pressing-Spitze gut aus: Ihm gelang es nicht nur, den Druck auf Werders Dreierkette zu erhöhen. Er nahm dank kluger Laufwege auch Rapp aus dem Spiel.
Werder Bremen-Unentschieden gegen den 1. FC Nürnberg in der Taktik-Analyse: Die Macht der Gelassenheit
Dank des starken Pressings verleitete der 1. FC Nürnberg die Bremer immer wieder zu riskanten Pässen ins Mittelfeld-Zentrum. Es war das Spiel, das die Nürnberger haben wollten: hektisch, mit hohem Tempo und Ballverlusten auf beiden Seiten. Werder Bremen gelang es in der Anfangsphase nicht, die Kontrolle über das Spiel zu übernehmen.
Nach der Nürnberger Führung entdeckte Werder Bremen aber die Geduld. Sie erzwangen Angriffe nun nicht mehr, sondern brachen häufiger Spielzüge ab. So konnten sie den Ball länger laufen lassen. Das Pressing des 1. FC Nürnberg griff nun nicht mehr. Møller Dæhli ließ sich wieder konstant auf die Zehn fallen. Spätestens jetzt hatte Werder die Kontrolle über die Partie.
Immer wieder ließen die Bremer Spieler die Kugel zirkulieren, sie wanderte von einem Flügel zum nächsten. Vorzeitige Flanken vermied Werder Bremen; die zweiten Bälle hatte Nürnberg in der ersten halben Stunde konsequent erobert. Werder kam zwar nur selten zu Chancen. Immerhin diktierten sie aber nun das Tempo der Partie. Sie drängten den 1. FC Nürnberg weit nach hinten, wodurch sie kaum mehr zu Kontern kamen; der Weg zum Bremer Tor war nach Ballgewinnen zu weit.
Werder Bremen-Unentschieden gegen den 1. FC Nürnberg in der Taktik-Analyse: Gäste mit Abwehrschlacht im zweiten Durchgang
Nach der Pause versuchte der 1. FC Nürnberg, die Flügel besser zu schließen. Die beiden Stürmer agierten nun auf den Außen. Der Club verteidigte in einem breiten 5-4-1. Werder Bremen ließ sich davon jedoch nicht beirren. Sie ließen weiter Ball und Gegner laufen. Geduldig verlagerten sie das Spiel von einer Seite zur anderen. In der zweiten Halbzeit sammelte Werder so fast 80% Ballbesitz.
Vor allem zwei Facetten des Bremer Spiels funktionierten gut: Die Verlagerungen von einem Halbraum in den anderen kamen nun punktgenau in den Fuß des Mitspielers. Vor der Pause mangelte es hier noch an Genauigkeit. Die zweite große Stärke: Nach Ballverlusten war Werder Bremen sofort präsent und eroberte die Kugel meist direkt zurück.
Ein großes Manko begleitete Werder Bremen jedoch an diesem Nachmittag: das Timing beim Pass in den Strafraum. Werder spielte gegen den 1. FC Nürnberg häufig gelupfte Pässe, die für die Stürmer nur schwer zu verwerten waren. Flanken mit Zug oder Pässe von der Grundlinie in den Rückraum kamen zu selten. Auch das Timing beim Lauf in den Strafraum stimmte nicht immer, sodass dieser häufig unterbesetzt blieb.
Werder Bremen-Remis gegen den 1. FC Nürnberg in der Taktik-Analyse: Tiefe Läufe von Mitchell Weiser das entscheidende Puzzlestück
Es war fast schon symptomatisch, dass kein Stürmer des SV Werder Bremen an diesem Nachmittag das Tor traf, sondern Rechtsverteidiger Mitchell Weiser. Er startete nach seiner Einwechslung (61.) wesentlich häufiger in die Tiefe als Felix Agu. Es war das entscheidende Puzzlestück.
Dennoch muss man nach Abpfiff konstatieren, dass Werder Bremen aus dem vielen Ballbesitz und den insgesamt 41 Flanken zu wenig herausholte. Nur jede vierte Flanke fand einen Mitspieler. Die Chancen, die Werder sich gegen den 1. FC Nürnberg herausspielte, vergaben sie. Dieses Muster sollte Werder nach drei unnötigen 1:1-Unentschieden in Folge durchbrechen, um die Saison auf einem Aufstiegsplatz abzuschließen.