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(Fast) Undurchdringbar: Werder Bremen und Eintracht Frankfurt stellen sich gegenseitig kalt - Taktik-Analyse

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Florian Kohfeldt, Cheftrainer des SV Werder Bremen, lieferte sich ein taktisches Duell mit Adi Hütter von Eintracht Frankfurt.
Florian Kohfeldt, Cheftrainer des SV Werder Bremen, lieferte sich ein taktisches Duell mit Adi Hütter von Eintracht Frankfurt. © gumzmedia

Frankfurt - Im Strafraum war nicht viel los beim Aufeinandertreffen zwischen Werder Bremen und Eintracht Frankfurt. In einem Spiel, das fast ausschließlich aus langsamen Ballbesitz-Passagen bestand, sorgten zwei schnelle Konter für ein 1:1. Deichstube-Taktikfuchs Tobias Escher analysiert die Partie.

Zu diesem Zeitpunkt der vergangenen Saison hat sich das Unheil bereits angedeutet. Nach sechs Spieltagen stand Werder Bremen zwar noch mit sieben Punkten auf Platz elf der Tabelle. Sie hatten aber auch bereits 14 Gegentore kassiert. Dass Werder dieses Jahr besser in die Saison gestartet ist, liegt in erster Linie an ihrer stabileren Defensive. Gerade einmal acht Gegentore hat Werder in den ersten sechs Spielen kassiert. Auch gegen Eintracht Frankfurt überzeugte in erster Linie Bremens Defensive.

Werder Bremen gegen Eintracht Frankfurt in der Taktik-Analyse: 5-2-3 gegen 3-4-1-2

Florian Kohfeldt schickte seine Mannschaft in derselben taktischen Formation auf das Feld wie beim 1:1 gegen Hoffenheim. In der Abwehr formierte sich Werder Bremen in einer Fünferkette. Davor agierte mit Christian Groß und Maximilian Eggestein eine defensiv ausgerichtete Doppelsechs. Offensive Rollen hatten nur die drei Angreifer: Leonardo Bittencourt und Tahith Chong begannen neben der einzigen Sturmspitze Josh Sargent. Doch auch Bremens Stürmer waren nicht befreit von defensiven Aufgaben. Sie sollten die Spielfeldmitte schließen. Bremen formierte sich in einer tiefen 5-2-3-Formation. Kohfeldts Team überließ dem Gegner den Ballbesitz; am Ende des Spiels lag Bremens Ballbesitz bei gerade einmal 28 Prozent. Werders Strategie: Eintracht Frankfurt sollte keineswegs über das Zentrum Raumgewinn erzielen dürfen. Stattdessen sollte deren erster Pass hinaus auf die Flügel gehen.

Die Frankfurter übernahmen zwar die Spielkontrolle, agierten dabei aber nicht übermäßig offensiv. Trainer Adi Hütter hatte seine Elf in einer 3-4-1-2-Formation aufgestellt. Die Dreierkette sowie die zurückhaltende Doppelsechs baute das Spiel ruhig aus der eigenen Hälfte auf. Teilweise postierten sich fünf Frankfurter Spieler hinter der ersten Bremer Pressinglinie. Kein Wunder, dass Frankfurt viele Quer-, aber nur wenig Tiefenpässe spielte: Es fehlten schlicht die Anspielmöglichkeiten vor dem Ball. Frankfurt tat es Werder gleich und fokussierte sich ganz auf die defensive Stabilität. Sie wollten nach Ballverlusten genügend Spieler hinter dem Ball wissen.

Die Grafik zeigt, wie defensiv beide Teams auftraten: Werder Bremen formierte sich in einer 5-2-3-Formation. Bremen stellte besonders das Mittelfeldzentrum zu. Die Frankfurter Doppelsechs ließ sich fallen, um Zuspiele zu erhalten – und sorgte somit dafür, dass die Eintracht praktisch keine Anspielstationen vor dem Ball hatte.
Die Grafik zeigt, wie defensiv beide Teams auftraten: Werder Bremen formierte sich in einer 5-2-3-Formation. Bremen stellte besonders das Mittelfeldzentrum zu. Die Frankfurter Doppelsechs ließ sich fallen, um Zuspiele zu erhalten – und sorgte somit dafür, dass die Eintracht praktisch keine Anspielstationen vor dem Ball hatte. © DeichStube

Werder Bremen gegen Eintracht Frankfurt in der Taktik-Analyse: Kaum Torchancen auf beiden Seiten

Beide Teams mögen vorsichtig agiert haben. Sie unterschieden sich jedoch in der Art, wie sie Torchancen kreieren wollten. Werder Bremen lauerte auf Konter. Die Bremer wollten den Ball entweder im Mittelfeldzentrum oder auf den Flügeln gewinnen. Nach Ballgewinnen setzte sich Stürmer Sargent sofort ab. Er war der beweglichste aller Bremer Angreifer, der US-Amerikaner wich immer wieder auf die Flügel aus. Einzig Maximilian Eggestein legte mehr Kilometer zurück als Sargent (zwölf). Doch wenn Sargent den Ball bekam, hatte er nur selten eine gute Anspielmöglichkeit. Die tief postierten Frankfurter konnten ihn recht schnell stellen und flink in eine stabile Ordnung zurückfinden. Werders Konter kamen oft über Ansätze nicht hinaus.

Auch die Frankfurter erregten offensiv nicht allzu viel Aufsehen. Sie versuchten zunächst, über hohe Zuspiele zu den Stürmern Raumgewinn zu erzielen. Ihre Hoffnung, die zweiten Bälle zu gewinnen, erfüllte sich jedoch nicht; Werders Doppelsechs war meist zur Stelle. Später ging Frankfurt dazu über, vermehrt über die linke Seite anzugreifen. Verteidiger Martin Hinteregger hielt wenig hinten; zeitweise sprintete er wie ein Linksverteidiger die Außenlinie hinunter. Das erlaubte wiederum dem etatmäßigen Linksverteidiger Steven Zuber, in das Zentrum zu ziehen. So kam Eintracht Frankfurt über diese Seite zu mehreren Halbchancen, ohne aber echte Torgefahr zu versprühen.

Eintracht Frankfurt wagt mehr gegen Werder Bremen, gewinnt aber nichts - die Taktik-Analyse

Nachdem lange Ballbesitzphasen das Spiel geprägt hatten, sorgten zwei Konter für die einzigen Tore des Spiels. Beim Bremer Führungstreffer fand Sargent endlich Raum vor sich (51.). Frankfurt erzielte den Ausgleichstreffer nach einem Gegenpressing-Ballgewinn gegen Jean-Manuel Mbom (62.). In der Folge waren es die Frankfurter, die eher auf den Siegtreffer drängten. Hütter entschied sich, die beiden Flügel-Positionen mit Außenstürmern zu besetzen: Amin Younes und Aymen Barkok (60., für Zuber und Almamy Toure) postierten sich wesentlich höher und wagten sich öfter in Eins-gegen-Eins-Dribblings als ihre Vorgänger. Eintracht Frankfurt brachte nun mehr Spieler vor den Ball. Florian Kohfeldt spekulierte darauf, die dadurch entstehenden Räume für Konter nutzen zu können. Mit Milot Rashica (62., für Chong) kam ein schneller Konterstürmer. Auch Eggestein schaltete sich in der Schlussviertelstunde häufiger ins Angriffsspiel des SV Werder Bremen ein. Doch hochkarätige Chancen blieben Mangelware.

Das Fazit fällt so aus wie nach allen Saisonspielen der Bremer: Kohfeldts Team steht defensiv stabiler als noch in der vergangenen Saison. Im Gegensatz zur Relegations-Saison verteidigen die Bremer vor allem Standards besser, wodurch ihre defensive Strategie besser aufgeht. Auch gegen Frankfurt fehlten aber Esprit sowie Wucht im Spiel nach vorne. Das dürfte den meisten Bremer Anhängern egal sein: Sie freuen sich, dass Werder Bremen mit der neu gewonnenen defensiven Stabilität weiter Punkte sammelt im Kampf gegen den Abstieg.

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