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Auf der letzten Rille zum Rekord: Werder Bremen nach turbulentem Derby beim HSV wieder Tabellenführer

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Von: Daniel Cottäus

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Ömer Toprak, Kapitän des SV Werder Bremen, feiert am Gästeblock mit den mitgereisten Fans den Derbysieg gegen den HSV.
Ömer Toprak, Kapitän des SV Werder Bremen, feiert am Gästeblock mit den mitgereisten Fans den Derbysieg gegen den HSV. © gumzmedia

Hamburg – Ömer Toprak hatte wirklich alles versucht, hatte beschwichtigend gestikuliert und den Zeigefinger dabei immer wieder fast schon flehend auf die Lippen gelegt – es nützte jedoch alles nichts. Dieser feiernde und jubelnde Laden um ihn herum war beim besten Willen nicht mehr in den Griff zu bekommen. Toprak hielt das allerdings nicht davon ab, direkt vor dem Gästeblock im Hamburger Volksparstadion gewissenhaft seiner Aufgabe nachzugehen. Nach Werder Bremens 3:2 (1:0)-Erfolg im Nordderby beim Hamburger SV gab der Bremer Kapitän den Zeremonienmeister. Zuerst Wechselgesänge, dann das gute, alte „Wer nicht hüpft, der ist kein Bremer“ – Toprak führte Fans und Teamkollegen ausgelassen durchs Programm, der Nachmittag hatte schließlich allen Anlass dazu gegeben.

Nach einem kuriosen Derby mit zwei Handelfmetern, hitzigen Zweikämpfen und packender Schlussphase stand Werder Bremen als Sieger fest, ist nun wieder Tabellenführer der 2. Bundesliga und hat nebenbei noch einen neuen Vereinsrekord aufgestellt. „Ich bin stolz auf meine Mannschaft, weil es eine sehr reife und taktisch disziplinierte Leistung war“, freute sich Cheftrainer Ole Werner.

Bevor im Hamburger Volksparkstadion allerdings Fußball gespielt wurde, bekamen die rund 25.000 Zuschauer ein ganz starkes Bild beider Vereine geboten. Gemeinsam stellten sich die Mannschaften an der Mittellinie auf, um mit einem Banner in den ukrainischen Landesfarben (Aufschrift: „Wir gemeinsam für Frieden! STOP WAR!“) während einer Gedenkminute gegen den Krieg in der Ukraine zu protestieren. Kurz danach begann die Partie, in der es bis zum ersten Höhepunkt nicht lange dauern sollte.

Werder Bremen gegen Hamburger SV: Strittige Schiedsrichter-Entscheidungen erhitzen das Derby

Werder Bremen begann enorm entschlossen, lief den HSV früh an und stellte ihn damit vor Probleme. Bereits nach sieben Minuten traf Leonardo Bittencourt per Kopf zum vermeintlichen 1:0 für die Gäste – weil er dabei klar im Abseits stand, zählte der Treffer jedoch nicht. Danach wurde es kurios. Weil der Ball nach einem Schuss von Ömer Toprak an den Arm von Jonas Meffert und von dort aus zu Bittencourt geflogen war, schaltete sich der Videoassistent ein, und Schiedsrichter Daniel Siebert gab Handelfmeter für Werder. Eine durchaus strittige Entscheidung, denn Meffert hatte sehr nahe an Toprak gestanden. „Ich denke, wenn man Fußball gespielt hat, dann versteht man, dass er die Hand in der Situation nicht einfach wegnehmen kann“, ärgerte sich HSV-Trainer Tim Walter. Hinzu kam, dass es bei einer Entscheidung auf absichtliches Handspiel wegen der Regel „Deliberate play“ möglicherweise gar keinen Elfmeter hätte geben dürfen, sondern das Tor von Bittencourt hätte zählen müssen, weil der Ball vom Gegner kam und das Abseits damit aufgehoben war. Doch da streiten sich die Gelehrten. Marvin Ducksch kümmerte das wenig. Er verwandelte sicher zum 1:0 für Werder Bremen (10.).

Die Grün-Weißen blieben auch danach das bessere Team, hatten allerdings auch Glück, dass der Hamburger Ausgleich durch Moritz Heyer nicht zählte (19.). Anders ausgedrückt: Der Schubser von Robert Glatzel, in dessen Folge Toprak gegen Torhüter Jiri Pavlenka prallte, woraufhin dieser den Ball vor die Füße von Heyer faustete, wird vielleicht nicht in jedem Stadion gepfiffen. Auch das eine Schiedsrichterentscheidung, die den Volkspark mächtig anheizte.

Achtung: Werder-Stürmer Marvin Ducksch hat eine Ausstiegsklausel im Vertrag!

Werder Bremen: Auch das 3:1 durch Marvin Ducksch bringt keine Ruhe ins Derby gegen den HSV

Werder Bremen beeindruckte das zunächst nicht, die Gäste spielten zielstrebig weiter nach vorne, verpassten es aber, noch vor dem Seitenwechsel nachzulegen. Allen voran Leonardo Bittencourt (30.) und Ducksch (33.) ließen Großchancen aus, was Ole Werner ärgerte. „Für meinen Geschmack war die Führung zur Pause zu gering“, hielt der 33-Jährige fest. Die Quittung dafür folgte nach Wiederanpfiff prompt.

Es war keine Minute gespielt, da traf Meffert zum 1:1 (46.). Mitchell Weiser hatte zuvor hauchdünn das Abseits aufgehoben. Auf der Gegenseite sollte er seinen Fehler beinahe postwendend wieder gutmachen. Von der Strafraumkante aus zog Weiser ab, traf die Hand von Bakery Jatta, woraufhin es den zweiten Handelfmeter für Werder Bremen gab. Dieses Mal schnappte sich Niclas Füllkrug den Ball und traf ebenso sicher wie sein Sturmpartner Ducksch in Hälfte eins – 2:1 (51.). Danach folgte die stärkste Phase des HSV. Durch Paraden gegen Glatzel (64.) und Heyer (69.) hielt Pavlenka die knappe Führung fest. „Wir haben in der zweiten Halbzeit leider an Aktivität verloren“, haderte Werner, merkte aber auch an: „Die Tore haben wir dafür zum richtigen Zeitpunkt gemacht.“ Gemeint war damit vor allem das 3:1 von Ducksch (76.), in dessen Folge aber immer noch keine Ruhe einkehren sollte.

Werder Bremen: „Emotional außergewöhnliches“ Derby gegen den HSV und ein Vereins-Rekord

Der HSV kam durch Glatzel noch zum 2:3 (80.) und durch Manuel Wintzheimer sogar zum vermeintlichen 3:3 (90.+5), das allerdings nicht zählte, weil Sonny Kittel zuvor im Abseits gestanden hatte. „Wir haben es am Ende auf der letzten Rille verteidigt“, sagte Ole Werner, dessen Team es als erstem überhaupt in dieser Saison gelungen war, beim HSV zu gewinnen.

„Es war emotional außergewöhnlich, ein Spiel, das uns den Rücken stärkt“, betonte Werner, der mit Werder Bremen erstmals überhaupt in der Vereinsgeschichte fünf Auswärtsspiele in Folge gewonnen hat. Und mit 45 Punkten nun wieder ganz oben in der 2. Bundesliga steht. Mit überbordender Euphorie oder gar dem Wörtchen Aufstieg hielt sich der Coach aber einmal mehr betont zurück, ihm war aber dennoch die Zufriedenheit anzusehen: „Jeder hat heute alles auf dem Platz gegeben.“ Kapitän Ömer Toprak legte gar eine Extraschicht ein – als Stimmungsmacher vor dem Fanblock. (dco)

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