SV Werder Bremen dicht vor dem Aufstieg und bereit für „den letzten Schritt“: Doch die Schwere der Aufgabe bleibt

Bremen – So schnell kann es gehen. Eben noch die Enttäuschung über drei Unentschieden am Stück und zu wenig Punkte auf der Habenseite, dann plötzlich die große Freude über die Rückkehr an die Tabellenspitze. Vor allem deshalb, weil das Wie so richtig Spaß gemacht hat. Der SV Werder Bremen gewann schließlich nicht einfach nur so beim FC Schalke 04, sondern stürzte den bisherigen Ligaprimus mit einem satten 4:1 (2:0) vom Thron. Das hatte gesessen. Was in Gelsenkirchen passierte, echote nicht nur bis in die nahe Nachbarschaft, sondern sorgte für Anerkennung und Erstaunen in ganz Deutschland. Werder ist drei Spieltage vor Schluss wieder der Topfavorit auf den Aufstieg, lässt sich das aber auch nach einem derartigen Glanzstück kaum anmerken. Aus gutem Grund.
„Auf gar keinen Fall sind wir durch“, warnte etwa Abwehrspieler Marco Friedl nach dem Spiel. „Wir haben noch drei Spiele, in denen es um alles geht. Wir müssen nachlegen. Es gibt immer noch einiges zu verbessern.“ Das mag stimmen, zumindest auf Schalke war davon aber nicht mehr viel zu sehen. In den vergangenen Wochen hatte Werder Bremen häufiger Probleme mit der ersten Halbzeit gehabt, negativer Höhepunkt war das jüngste Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg, als nur wenig zusammenlief und – mal wieder – ein Rückstand aufgeholt werden musste. Die Bremer gelobten Besserung, hatten das auch vorher schon getan.
Doch es passierte: nichts. Bis jetzt. „In den vergangenen Wochen haben wir viel darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass wir von der ersten Minute an im Spiel drin sein müssen. Das war der erste Punkt, der super geklappt hat“, zählte Clemens Fritz, Werder Bremens Leiter Profifußball, am Sonntag im Gespräch mit der DeichStube auf. „Und der zweite war, dass wir uns auch belohnt haben bei den Möglichkeiten, die herausgespielt wurden. Da waren wir wirklich eiskalt.“
Werder Bremen steht dicht vor dem Aufstieg und ist bereit für „den letzten Schritt“ - doch die Schwere der Aufgabe bleibt allgegenwärtig
In der Tat wirkte es fast ein wenig skurril, was der Spielberichtsbogen später überlieferte. Da waren die Gäste auf dem Rasen spielerisch überlegen und ein auch in der Höhe verdienter Sieger, trotzdem hatte Schalke letztlich mit 18 Torschüssen sogar drei mehr als Werder Bremen abgegeben. Doch wo es zuletzt hakte, stimmte nun alles. Anders als gegen St. Pauli nutzten Ilia Gruev (9.) und Niclas Füllkrug (26.) dieses Mal ihre Chancen, obendrein beendete Marvin Ducksch trotz zweier erneuter Pfostentreffer sein Mini-Tief und markierte seine Saisontreffer 18 und 19 (51./53.) – persönlicher Rekord für den Stürmer. Und die Schalker, die zuletzt fünf Mal in Folge gewonnen hatten und verständlicherweise als allererster Anwärter auf die Bundesliga-Rückkehr galten, waren abrupt ausgebremst worden.
Werder Bremen hatte dagegen geliefert, als es darauf ankam. Wieder einmal. „Wir waren in diesem Jahr in Spitzenspielen eigentlich immer da“, hob Trainer Ole Werner hervor. „Nürnberg war da etwas eine Ausnahme. Aber ich war heute nicht überrascht, dass wir auf Zündung sind, dass wir ein gutes Spiel machen.“ Die ganz dicken Brocken hat seine Elf damit in dieser Saison aus dem Weg geräumt. Aber was heißt das schon? Diese Spielzeit hat hinlänglich bewiesen, dass nichts planbar ist, auch Punkte gegen Holstein Kiel, Erzgebirge Aue und Jahn Regensburg nicht im Vorbeigehen eingesammelt werden.
Werder Bremen: Gute Ausgangslage im Aufstiegskampf nach Sieg gegen Schalke - Niclas Füllkrug fordert gleiche „Galligkeit“ gegen Kiel
Werder Bremen muss also weiter liefern – und verhindern, dass es als Spitzenreiter mit perfekter Ausgangsposition plötzlich einen ähnlich ernüchternden Rückschlag gibt, wie ihn die Schalker jetzt erlebt haben. Chefcoach Ole Werner glaubt aber nicht, dass er psychologisch gegensteuern muss. „Ich habe das Gefühl, dass wir mit den Situationen immer gut und seriös umgegangen sind“, betonte er. „Das müssen wir wieder tun. Wir wollen auch den Rückenwind dieses Spiels mitnehmen.“
Wer seine Spieler reden hört, glaubt ihm diese Einschätzung sofort. Niclas Füllkrug wagte sich zwar etwas aus der Deckung und erklärte die Partie auf Schalke im Nachgang zu einem „Schlüsselspiel“, doch er nahm sich und seine Kollegen für die letzten Meter des unberechenbaren Aufstiegsrennens sofort in die Pflicht: „Jetzt müssen wir uns top auf Kiel vorbereiten, die gleiche Galligkeit und Gier an den Tag legen“, forderte der 29-jährige Profi des SV Werder Bremen. Und Sturmpartner Marvin Ducksch meinte: „Es war ein riesiger Schritt. Wir wollten zurück an die Tabellenspitze und es in der eigenen Hand haben. Jetzt haben wir drei Spiele vor der Brust, darauf liegt der Fokus.“
Werder Bremen: Enges Rennen im Aufstiegskampf - doch Grün-Weiß hat alle Chancen auf die Rückkehr in die Bundesliga
Es wäre nicht verwunderlich, wenn diese 2. Liga trotzdem noch ein paar unerwartete Wendungen bereithält. Auch Ole Werner ist sich sicher: „Es wird so viel an den Spieltagen passieren.“ Wenn es gut läuft, kommt Werder Bremen dabei schadlos davon. Darf selbst feiern, während die Konkurrenz mal mehr, mal weniger an Boden verliert. So wie aktuell der FC Schalke 04 oder auch der FC St. Pauli und 1. FC Nürnberg. Schlappe 270 Minuten plus Nachspielzeit trennen die Bremer noch von der schnellstmöglichen Rückkehr in die Bundesliga. Aber vielleicht geht es auch noch in die Relegation. Oder es gibt gar nichts von beidem. Doch so weit will bei Werder niemand denken. Dafür ist die Ausgangslage ja auch zu gut. „Jeder weiß, welche Chance wir haben. Jeder weiß, wieviel Arbeit darin steckt, dass wir uns diese Chance erarbeitet haben“, unterstrich Ole Werner. „Wir wollen den letzten Schritt gehen.“ Es wird ein Schritt sein, der zwischen großer Freude und noch größerer Enttäuschung entscheidet. (mbü)