„Wir waren ja quasi die Ultras“: Werder-Stürmer Füllkrug über die Derby-Party und seine Zukunft mit Ducksch

Bremen – Eigentlich hat Niclas Füllkrug frei, der Profi des SV Werder Bremen ist an diesem Dienstag trotzdem im Weserstadion. In den letzten Wochen einer Saison pflege er seinen Körper immer ganz besonders, um auch im Endspurt topfit zu sein, so der 29-Jährige. Deshalb lässt sich Füllkrug ausgiebig behandeln und arbeitet ein bisschen im Kraftraum. Der Stürmer nimmt sich auch noch Zeit für ein Interview mit der DeichStube, spricht dabei über den besonderen Empfang der Fans nach dem Derbysieg in Hamburg und erzählt, wie sehr ihn das Thema Krieg beschäftigt.
Herr Füllkrug, seit der Nordderby-Party vor dem Weserstadion geistert der Ohrwurm „Ducksch is on fire“ durch die grün-weißen Köpfe – auch durch Ihren?
Natürlich, aber nicht nur dieses Lied. Leo Bittencourt hat auch „Füllkrug is on fire“ angeschoben – und noch ein paar andere Versionen. Aber das will ich gar nicht weiter ausführen (lacht).
Waren also noch mehr „on fire“?
Alle waren „on fire“. Leo ist ein super Stimmungsmacher, der alle mitreißt. Das ist so wichtig für die Mannschaft. Feste zu feiern, das schweißt zusammen. Man sieht einfach, dass wir auf und neben dem Platz eine richtig gute Truppe sind.
Wir war das, nach dem Derbysieg so von den Fans empfangen zu werden?
Einfach toll! Ich weiß gar nicht, wann hier die Fans und die Mannschaft zum letzten Mal so zusammen gefeiert haben. Es passt einfach von den Charakteren her im Team. Leo heizt an – und alle machen mit. Wir waren ja quasi die Ultras. Das hat großen Spaß gemacht. Das sind Erinnerungen, die für immer bleiben und uns als Team weiter nach vorne bringen.
Ein Ultra hat sich per Megafone bedankt, dass es mit dieser Mannschaft endlich wieder Spaß macht.
Das war richtig stark. Uns ging es in den letzten zwei Jahren doch genauso, wir hatten auch nicht mehr so viel Spaß. Es ist doch keiner von uns zu Werder gekommen, um in der 2. Liga zu landen. Umso schöner ist es, den Verein jetzt wieder siegen zu sehen, auch wenn es in der 2. Liga ist.
Werder Bremen-Spieler Niclas Füllkrug über den Fan-Empfang nach dem Derbysieg: „Das hat großen Spaß gemacht“
Der Zeitpunkt dieser Euphorie ist allerdings nicht so einfach. Sie haben selbst gemeinsam mit den HSV-Profis mit dem Banner „STOP WAR“ ein Friedenszeichen gesetzt. Nach dem Spiel wurde dann der Sieg gefeiert. Bekommt man da zwischendurch kein schlechtes Gewissen?
Ganz ehrlich: Ich war in der Woche vor dem Spiel null in Derby-Stimmung, weil mich der Krieg in der Ukraine sehr beschäftigt hat. Es ist unfassbar, was dort passiert und wie nah dran das an uns ist. Ich kann nicht verstehen, dass Menschen zu so etwas in der Lage sind. Da sterben Kinder, als Vater bin ich da besonders sensibel. Ich weiß, das passiert schon lange auch an anderen Orten auf dieser Welt, aber jetzt ist es europäisch. Da entwickelt man schon gewisse Ängste. Ich hatte Gänsehaut, als wir das Banner hochgehalten und alle applaudiert haben. Es ist aber auch total traurig, dass so eine Aktion überhaupt notwendig ist.
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Vergisst man diese Traurigkeit dann auf dem Platz und später beim Jubel?
Das passiert unbewusst, das finde ich auch okay. Man darf sich ablenken, das gilt genauso für die Fans. Aber jeder kann sich sicher sein: Das Thema beschäftigt uns weiter. Man merkt, dass sich die Stimmung in einem Raum sofort verändert, wenn darüber gesprochen wird. Da werden in der Kabine keine Witze gemacht. Jeder hofft, dass dieser Krieg so schnell wie möglich vorbei ist. Und ich wünsche mir, dass alle Flüchtlinge den nötigen Platz finden – auch bei uns in Deutschland.
So schwer es auch fällt, zurück zum Fußball: Werder ist zehn Spieltage vor Schluss Tabellenführer – worauf kommt es jetzt am meisten an?
Schöne Grüße ans Phrasenschwein: auf einen kühlen Kopf und ein heißes Herz. Wir müssen schon cool bleiben und jedes Spiel mit 100 Prozent angehen. Dieser Sieg beim HSV, der ein richtig gutes Heimspiel gemacht hat, war ein Zeichen an die Konkurrenz. Andererseits: In dieser Liga sind alle Spiele schwierig – gerade auch gegen die Teams von unten, für die es sportlich um alles geht.
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Werder Bremen-Spieler Niclas Füllkrug: „Dieser Sieg beim HSV war ein Zeichen an die Konkurrenz“
Sie haben mit Fürth und Nürnberg den Bundesliga-Aufstieg knapp verpasst, es mit Hannover dann geschafft. Wie hilft Ihnen diese Erfahrung nun?
Man ist nicht mehr so aufgeregt. Mir ist auch die Tabelle gerade ziemlich egal, um die geht es erst am 34. Spieltag. Bis dahin gilt es zu punkten – und bei einer bestimmten Anzahl hat man es dann geschafft.
Bisher reichten immer 66 Punkte für einen der ersten drei Plätze. Werder fehlen demnach noch 21 Zähler. Darf man also denken, Werder gewinnt sieben von zehn Spielen und gut ist?
Ich habe die 2. Liga immer intensiv verfolgt und bin mir gar nicht sicher, ob man in den vergangenen Jahren wirklich so viele Punkte brauchte. Das ist auch egal. Wenn jemand denken möchte, dass wir noch sieben Spiele gewinnen, habe ich nichts dagegen. Aber unser Fokus liegt erst einmal beim nächsten Spiel, und das ist am Sonntag gegen Dresden.
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Haben Sie keine Angst vor einem kleinen Hänger, den andere Teams wie zum Beispiel der FC St. Pauli schon hatten?
Nein, wir gewinnen die Spiele ja nicht, weil wir Glück haben. Wir spielen derzeit guten und erfolgreichen Fußball. Ich wüsste nicht, warum das in Zukunft nicht mehr so sein sollte, wenn wir alle bei jedem Spiel 100 Prozent auf den Platz bringen. Wir haben es selbst in der Hand, aber jedes Spiel wird extrem schwierig. Da darfst du niemanden unterschätzen, das werden wir auch nicht tun. Erst nach der Saison darf man eine große Schnauze haben (lacht).
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Werder Bremen-Spieler Niclas Füllkrug hat in 14 Spielen elf Tore erzielt und fünf Treffer vorbereitet
Ihre persönliche Bestmarke in Liga eins und zwei liegen bei jeweils 14 Treffern in einer Saison. Aktuell haben Sie elf Tore auf dem Konto, was ist Ihr Ziel?
Ich konzentriere mich in dieser Saison mehr auf meine Scorerpunkte. So richtig los ging es für mich damit ja erst ab dem 11. Spieltag. Seitdem habe ich in 14 Spielen elf Tore erzielt und fünf vorbereitet. Das sind mehr Scorerpunkte als Spiele – diese Quote gefällt mir und entspricht auch meinem Anspruch. Aber es geht nicht nur darum.
Sondern?
Ich lobe gerne unsere Defensive, kann das auch nach dem HSV-Spiel wieder machen. Aber was die gesamte Offensivabteilung inklusive Leo Bittencourt und Romano Schmid da vorne neben den drei Toren geleistet hat, war auch richtig stark. Wir haben keinen Weg nach hinten weggelassen, die Hamburger konnten nicht einmal so aufbauen, wie sie es wollten. Das ist manchmal mehr wert als ein Scorerpunkt. Trotzdem bin ich natürlich froh, dass Marvin Ducksch und ich zusammen die 40er Marke bei den Scorerpunkten geknackt haben. So kann es weitergehen.
Achtung: Werder-Stürmer Marvin Ducksch hat eine Ausstiegsklausel im Vertrag!
Wer hätte das im Sommer gedacht?
Ich! Welcher Innenverteidiger sagt denn „Hey, geil – am Wochenende spiele ich gegen Ducksch und Füllkrug“? Nun gut, es hat etwas gedauert, bis wir endlich bei Werder zusammen spielen durften . . .
Nun klappt es umso besser.
Es macht auch einen Riesenspaß, weil schon so viel automatisch läuft. Er sucht mich, ich suche ihn. Duckschi ist ein super Fußballer. Wir verstehen uns super.
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Werder Bremen-Spieler Niclas Füllkrug: Mit Ducksch in der ersten Liga zu stürmen wäre „eine interessante Herausforderung“
Sie haben den Spitznamen „Hässliche Vögel“ erfunden, ist der schon als Marke geschützt?
Nein, nein – das wird nicht passieren. Es bleibt ein schöner Quatsch. Das ist vielleicht auch der nötige Humor, den man in so einer Saison braucht, um die Lockerheit zu behalten. Das passt gut in unsere Mannschaft.
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Könnten Sie mit Ducksch auch die 1. Liga rocken?
Es wäre eine interessante Herausforderung. Aber erst einmal müssen wir den Aufstieg schaffen. Wer weiß schon, was im Sommer passiert, was Werder plant, ob dann überhaupt weiter mit zwei Spitzen gespielt werden soll.
Könnten Sie sich noch ein weiteres Jahr in der 2. Liga vorstellen?
Mein Vertrag läuft noch bis 2023, deswegen bin ich entspannt. Ich bin sehr glücklich hier – vor allem auch mit dem Trainer und seinem Team.
Sie sprechen Ole Werner an. Wie geht der Coach mit der Partystimmung um?
Er hält den Ball flach. Er gibt uns Ruhe mit und sagt: „Jungs, das war jetzt geil, aber wir haben noch ein hartes Stück Arbeit vor uns.“ Genau das brauchen wir. Es gibt keinen Grund, jetzt abzuheben, wir haben noch einiges zu erledigen.
Gehört dazu auch ein eigener Song für Leonardo Bittencourt?
Natürlich bekommt dann auch Leo sein eigenes Lied! (kni)
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