Ernüchtert an die Tabellenspitze: Werder Bremen ist nach Sandhausen-Unentschieden wieder Erster, hadert aber mit sich selbst

Bremen – Es war 15.36 Uhr, als am Sonntagnachmittag auf den Videoleinwänden des Wohninvest Weserstadions Erfreuliches eingeblendet wurde. Also eigentlich. Die frisch aktualisierte Tabelle der 2. Bundesliga war dort plötzlich zu sehen, weiße Schrift auf grünem Grund, und sie wies den SV Werder Bremen nach dem 28. Spieltag als neuen Spitzenreiter aus – was von den noch anwesenden Fans aber allerhöchstens mit verhaltenem Applaus bedacht wurde. Denn zum Feiern war nach den vorangegangenen 90 Minuten hier wirklich niemandem zumute.
Mit 1:1 (0:0) hatte sich Werder Bremen vom Abstiegskandidaten SV Sandhausen getrennt, was dank des Ausrutschers des FC St. Pauli vom Vortag (0:1 gegen Rostock) zwar für den Sprung auf Platz eins reichte, unter dem Strich aber trotzdem als vertane Chance gewertet werden musste, den Vorsprung auf die Konkurrenz zu vergrößern. „Das Ergebnis hat leider nicht zur Leistung gepasst. Wir sind verärgert, dass wir uns nicht belohnt haben“, haderte Werder-Trainer Ole Werner, dessen Mannschaft mit nun 52 Punkten auf dem Konto nur einen anstatt drei mehr hat als die Verfolger Darmstadt und FC St. Pauli – und die am Ende fast noch froh sein musste, gegen Sandhausen nicht komplett leer ausgegangen zu sein.
Werder Bremen-Trainer Ole Werner nach Remis gegen SV Sandhausen „verärgert, dass wir uns nicht belohnt haben“
Nach 64 Minuten hatte der Ex-Bremer Pascal Testroet nämlich für einen dieser Momente gesorgt, die einerseits wie aus dem Nichts entstehen, andererseits auf ihre ganz eigene Art aber dennoch folgerichtig sind. Nachdem Werder Bremen die Partie zuvor dominiert, die Gäste phasenweise eingeschnürt, dabei allerdings mehrere gute Chancen vergeben hatte, war Testroet plötzlich da – und traf mit dem ersten Torschuss des SV Sandhausen zum 1:0. „Für mich ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen“, strahlte der Torschütze, der von 2008 bis 2011 für Werder gespielt, den Sprung ins Profiteam aber nicht geschafft hatte. Bereits beim 2:2 im Hinspiel hatte Testroet gegen seinen Ex-Club getroffen, sogar doppelt. Dieses Mal profitierte er von einem folgenschweren Fehler des Bremers Ilia Gruev.
Werder Bremen, und das muss unbedingt positiv hervorgehoben werden, erholte sich in der Folge ziemlich schnell vom unerwarteten Rückschlag. „Wir mussten dem Tor hinterlaufen und sind trotzdem noch gut zurückgekommen“, hielt Nicolai Rapp hinterher fest – und dürfte dabei vor allem an seine Mitspieler Romano Schmid und Marvin Ducksch gedacht haben.
Werder Bremen-Remis: SV Sandhauen-Trainer Alois Schwartz gesteht - „Der Gegner war phasenweise übermächtig“
Ersterer hatte Sandhausens Defensive in der 73. Minute mit einem herrlichen Pass in die Schnittstelle wie mit dem Skalpell seziert, woraufhin Marvin Ducksch eine Aktion folgen ließ, die getrost als „typisch Ducksch“ bezeichnet werden darf: Per Direktabnahme mit der rechten Innenseite setzte der Stürmer den Ball zum 1:1 ins lange Eck, was das mit 36 000 Fans nicht voll besetzte Weserstadion förmlich explodieren ließ.
Na endlich! Jetzt geht hier doch noch was! Dieses Gefühl strömte förmlich greifbar von den Tribünen – es sollte allerdings nichts mehr gehen. Werder Bremen behielt die drückende Überlegenheit zwar bei und kam auch zu weiteren guten Möglichkeiten. Der Siegtreffer war den Hausherren aber nicht mehr vergönnt, was aus Bremer Sicht für eine ziemliche ernüchternde Spielstatistik sorgte. 25:3 Torschüsse, 75 Prozent Ballbesitz, 688:231 gespielte Pässe und 5:1 Ecken – all das war am Ende nicht mehr wert als dieser eine Punkt. „Der Gegner war phasenweise übermächtig und hat uns hinten reingedrückt“, sagte Sandhausens Trainer Alois Schwartz nach dem Spiel, ehe er zufrieden festhielt: „Den Punkt nehmen wir natürlich gerne mit.“ Ole Werners Statement – Überraschung! – klang da deutlich nüchterner. Viel vorzuwerfen hatte der Coach seiner Mannschaft dabei jedoch nicht.
Werder Bremen nach Remis gegen SV Sandhausen Spitzenreiter: „Die Tabellenführung gilt es, zu verteidigen“
„Insgesamt war unsere Leistung stabil und ordentlich“, hielt der 33-Jährige fest, verwies auf die große Dominanz, die der SV Werder Bremen auf dem Platz ausgestrahlt hatte und darauf, dass Vereine wie Darmstadt, der HSV oder Heidenheim zuletzt „wesentlich mehr Probleme mit Sandhausen hatten, als wir heute“. Jeweils 1:1 gespielt gegen das Kellerkind hatte das Trio allerdings auch, was das Bremer Ergebnis fast noch ärgerlicher machte.
Nach dem Schlusspfiff rief Ole Werner seine Mannschaft wie üblich noch auf dem Rasen zusammen und begann direkt mit der Aufarbeitung. „Wir haben im Kreis besprochen, dass wir nicht die Köpfe hängen lassen sollen, weil wir ein gutes Spiel gemacht haben“, verriet Torschütze Ducksch, ehe er betonte: „Wir haben zwei Punkte zu wenig mitgenommen, ja. Aber trotzdem dürfen wir uns freuen, denn wir sind wieder Erster.“ Nicht so komfortabel zwar, wie erhofft, aber Erster. So war es auch auf den Videoleinwänden klipp und klar zu lesen gewesen. „Jetzt gilt es, die Tabellenführung zu verteidigen“, sagte Ducksch. Am kommenden Samstag. Im Spitzenspiel beim FC St. Pauli. (dco)