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Passive Taktik bringt wichtigen Dreier: Werder Bremens Sieg gegen Arminia Bielefeld in der Analyse

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Die Taktik von Florian Kohfeldt geht auf - Werder Bremen gewinnt gegen Arminia Bielefeld mit 2:0.
Die Taktik von Florian Kohfeldt geht auf - Werder Bremen gewinnt gegen Arminia Bielefeld mit 2:0. © IMAGO IMAGES / Ulrich Hufnagel

Nachholpartie in Bielefeld – oder anders gesagt: nichts Neues im Westen! Auch gegen den Tabellen-Vorletzten setzt Werder Bremen auf eine passive Herangehensweise. Dass diese Strategie aufging, lag auch an einer Umstellung in der Halbzeit-Pause, meint unser Taktikanalyst Tobias Escher.

Die Bundesliga-Saison biegt auf die Zielgerade. Zwei Drittel der Spiele sind bereits absolviert. Kaum ein Trainer stülpt seiner Mannschaft jetzt noch ein neues System über. So wählte Florian Kohfeldt im Spiel des SV Werder Bremen gegen Aufsteiger Arminia Bielefeld eine Strategie, die nach den vergangenen Wochen erwartbar war: Seine Bremer zogen sich weit zurück und ließen den Aufsteiger das Spiel gestalten. Die Idee ging mal wieder auf.

Spielstarke Bielefelder gegen einen passiven SV Werder Bremen

Spiele gegen Teams, die gerade den Trainer gewechselt haben, sind nicht leicht. Wie spielt das Team unter dem neuen Coach? Das ist häufig die große Unbekannte. Bielefelds neuer Trainer Frank Kramer tat den Bremern insofern einen Gefallen, als dass er dieselbe taktische Formation wählte wie beim 0:0 gegen Union Berlin. Kramer stellte seine Mannschaft in einer 4-3-1-2-Formation auf, im Mittelfeld ordnete sich das Team in einer Raute an. Personell veränderte Kramer seine Elf auf vier Positionen. Um die zuletzt passiv auftretenden Bremer zu knacken, tauschte Kramer brachiale Angreifer gegen eher filigrane Mittelfeldspieler aus. Seine Mannschaft sollte mit einem spielstarken Mittelfeld die Kontrolle über die Partie gegen Werder Bremen übernehmen. Selbst Strafraumwühler und Lokalheld Fabian Klos musste dafür auf der Bank Platz nehmen.

Kramer sah mit diesen Wechseln Werders Spielweise voraus: Kohfeldt hatte seine Elf in einem 5-2-3-System aufgestellt. Abermals liefen die Bremer hierbei den Gegner nicht früh an, sie ließen die gegnerischen Verteidiger das Spiel aufbauen. Bielefelds Viererkette durfte den Ball laufen lassen, während Werder Bremen im 5-2-3 die Räume schloss. Bielefeld brauchte die zusätzliche Spielstärke, um den hohen Ballbesitzanteil (60%) auszuspielen.

Josh Sargent schließt das Zentrum von Werder Bremen

Auf Bremer Seite war vor allem die Rolle von Stürmer Joshua Sargent interessant: Er agierte nicht vor, sondern hinter den Außenstürmern. Seine Aufgabe war es, Bielefelds Sechser Manuel Prietl zu bewachen. Hinter ihm nahmen die beiden Bremer Sechser die Bielefelder Doppelacht in Deckung. Der Arminia sollten somit die Zuspielwege ins Mittelfeld zugesperrt werden.

Sie kamen trotzdem einige Male gefährlich in die Bremer Hälfte. Ihre Angriffe fokussierten sich dabei auf die rechte Seite. Hier war mit Ritsu Doan ein quirliger Spielmacher auf der Halbstürmer-Position eingesetzt. Er bekam viel Unterstützung auf dieser Seite, während Werder Bremen hier eher passiv verteidigte. Zu Chancen kamen die Bielefelder mangels guter Pässe in den Strafraum allerdings eher selten. Sie wurden hauptsächlich nach Standardsituationen gefährlich; wie schon gegen Köln stimmte die Raumdeckung der Bremer hier nicht immer.

Die Grafik zeigt Werders Formation im Spiel gegen den Ball. Sargent agierte etwas tiefer, um Prietl in Deckung zu nehmen. Im Mittelfeld hatten die Bielefelder dennoch ein leichtes Übergewicht. Ausspielen konnten sie es meist nur über den freien Doan.
Die Grafik zeigt Werders Formation im Spiel gegen den Ball. Sargent agierte etwas tiefer, um Prietl in Deckung zu nehmen. Im Mittelfeld hatten die Bielefelder dennoch ein leichtes Übergewicht. Ausspielen konnten sie es meist nur über den freien Doan. © DeichStube

Werder Bremen gelang es nur selten, für Entlastung zu sorgen. Das lag zum Einen am stabilen Gegner: Bielefelds Außenverteidiger rückten kaum vor, auch die Sechser und Achter hielten sich zurück. Die Arminia hatte somit selbst nach Ballverlusten fünf bis sieben Spieler in der Restverteidigung, Werder konterte nur mit drei Stürmern und blieb in Unterzahl. Zum Anderen war Werders Spielidee, über flache Verlagerungen zu kontern, allenfalls in Ansätzen zu erkennen. Es fehlte die Passgenauigkeit; am Ende des Abends lag dieser Wert bei unterirdischen 59%.

Werder Bremen mit Umstellung in der Halbzeitpause

Werder kam leicht verändert aus der Pause zurück. Romano Schmid ließ sich nun vollends ins Mittelfeld fallen. Werder agierte somit in einem 5-3-2. Diese Formation stärkte das Mittelfeld. Die Halbzeit hatte kaum begonnen, als Werder Bremen bereits in Führung ging. Hier war sowohl die taktische Umstellung als auch Werders Versuch der flachen Diagonalpässe zu erkennen: Werder überlud in dieser Szene mit Schmid und Rashica die linke Seite. Die aufgerückte Arminia bekam die Bremer Überzahl nicht verteidigt (47.).

Nach diesem frühen Treffer kehrte die Partie zu ihrem alten Muster zurück. Werder Bremen zog sich im 5-3-2 noch ein Stück weiter zurück. Sie waren nur noch darauf bedacht, die offensiven Mittelfeldspieler der Arminia aus dem Spiel zu nehmen. Diese wiederum versteckten sich hinter den Bremer Verteidigern.

Rote Karte schafft Räume für Werder Bremen

Endgültig die Oberhand gewannen die Bremer nach der Roten Karte gegen den eingewechselten Nathan De Medina. Kramer stellte seine Elf in Unterzahl in einem 4-3-2 auf. Passender könnte man diese Formation als 4-3-0-2 bezeichnen: Hinter zwei echten Stürmern agierte kein Zehner. Es klaffte eine Lücke vor Bielefelds Mittelfeld.

Diese Lücke bespielte Werder Bremen beim 2:0 gegen Arminia Bielefeld clever. Zweimal spielten die Bremer im Angriffsverlauf einen Rückpass in den Raum hinter dem Mittelfeld, in beiden Fällen stand der Bremer völlig frei. Der eingewechselte Kevin Möhwald vollendete zum 2:0 (75.). In Überzahl brachte Bremen das Spiel (mit etwas Mühe) ins Ziel. Die Bremer taten auch in diesem Spiel wieder das, was sie diese Saison beherrschen: Mit einer passiven Strategie und einer stabilen Abwehr nervten sie ihren Gegner. Dem fehlten wiederum die fußballerischen Mittel, das Bremer Abwehrbollwerk zu knacken.

Wie sehr dieses Muster Werder in dieser Saison trägt, zeigt ein Blick in die Statistik: Gegen die Teams aus dem unteren Tabellendrittel konnte Werder sechs der zehn Saisonspiele gewinnen. Gegen die restlichen Teams holten sie gerade mal einen Sieg. Werder Bremen lebt von der fehlenden Kreativität der anderen Abstiegskandidaten.

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