Ein Traumjob?
Ja! Es ist ein absolutes Privileg, diesen Job ausüben zu dürfen.
Abgesehen von einem kurzen Intermezzo bei den E-Junioren des 1. FC Lok Stendal vor rund zehn Jahren hatten Sie vor Ihrem Amtsantritt in Magdeburg noch keine Erfahrung im Jugendbereich. Was ist in der Arbeit mit den Spielern anders im Vergleich zu den Herrenstationen in Stendal, Halberstadt und Brandenburg?
Man achtet viel mehr auf Details. Beidfüßiges Dribbling, tiefer Körperschwerpunkt, Raumorientierung, ganz viele kleine Details im individualtechnischen und -taktischen Bereich, aber auch im gruppen- und mannschaftstaktischen Bereich. Außerdem sind da auch die drei Säulen aus Schule, Sozialkompetenz und die fußballerische Ausbildung. All das haben wir hier auf dem Schirm und fühlen uns dementsprechend auch als Dienstleister für die Jungs.
Das klingt, als ob man für den Job noch eine pädagogische Ausbildung benötigt.
In meinen Mannschaften vorher war ich ja alles. Da war ich Busfahrer, Pädagoge, mal Vater, mal Opa und vielleicht auch mal der beste Freund. Dann bist du aber auch derjenige, der immer wieder Kritik äußern muss. Ich hatte zu meinen Jungs immer ein enges Verhältnis.
Sie arbeiten jetzt erstmals für einen Profiverein. Geben Sie uns einen Einblick, wie sieht der Ablauf in einem NLZ aus?
Montag, Dienstag und Mittwoch gibt es immer Doppeleinheiten. Montags gibt es außerdem noch die Videoanalyse zum Spiel vom vergangenen Wochenende plus sehr viel Organisation. Dienstags und mittwochs gibt es individuelle Videoanalysen. Donnerstag ist meistens frei und freitags ist Abschlusstraining mit Videoanalyse des kommenden Gegners. Und auch das Training ist dann inhaltlich hinführend zum nächsten Gegner. So sehen die Wochen aus.
Es unterscheidet sich also gar nicht mehr vom Alltag einer Profimannschaft der Herren?
Nein, gar nicht. Bei weiten Auswärtsfahrten ist es auch so, dass du freitags nach dem Abschlusstraining losfährst und dann im Spielort im Hotel übernachtest, damit du gleich vor Ort bist.
Die Spieler im NLZ arbeiten für den Traum, eines Tages Profi zu werden, doch letztlich schaffen es die wenigsten. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit als Trainer, denn letztlich werden Sie Träume platzen lassen müssen?
Das beeinflusst meine Arbeit relativ wenig. Wir sind ständig im Austausch und versuchen den Jungs offen und ehrlich zu kommunizieren, was es benötigt, einen Schritt näher an den Profifußball heranzukommen. Die Jungs müssen den Schritt dann ganz allein gehen. Wir sind nur die Dienstleister. Wir geben ihnen die Türklinke in die Hand, aber drücken müssen sie sie allein, durch sehr viel Training, sehr viel Hingabe. Das betrifft nicht nur Dinge auf dem Platz, sondern auch Vorbereitung, Nachbereitung, Aktivierung, Ernährung. Da zählt nicht nur der Spieltag, sondern das beginnt schon am Montag. Jeder Spieler muss sehr professionell arbeiten, um seinen Traum leben zu können, aber es ist normal, dass es nicht alle schaffen. Dafür versuchen wir ihnen auch den zweiten Weg an die Hand zu geben, also alles, was Schule betrifft, damit sie ein gutes Abitur machen und ihre Ausbildung oder Studium über Fußball finanziert bekommen.
Die Arbeit im Nachwuchs ist ein Balanceakt: Einerseits müssen die Ergebnisse stimmen, andererseits geht es um Geduld und Entwicklung. Wie finden Sie da den richtigen Weg?
Natürlich sind wir bestrebt, die Bundesliga für den Standort Magdeburg zu halten, es geht aber auch darum, die Spieler individuell zu entwickeln. Das ist ein schmaler Grat. Manchmal geht es darum, in gewissen Situationen die Spielweise anzupassen, darüber hinaus aber im Training an den Stärken und Schwächen zu arbeiten.
In Stendal haben Sie sich einen größeren Trainerstab gewünscht, in Magdeburg haben Sie ihn bekommen. Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihrem Trainer- und Funktionsteam? Bringt sie die gewünschte Entlastung?
Ich habe ein sehr gutes Trainerteam. Der Austausch ist sehr hoch, sehr professionell. Jeder hat seine Aufgaben. Aber, was auch ein riesiger Vorteil ist, ist der Austausch der NLZ-Trainer untereinander. Das ist toll, das macht mir richtig Spaß! Alle sind offen für neue Sachen und wir alle haben einen großen Mehrwert davon, wenn wir viel und offen kommunizieren und uns über inhaltliche Dinge austauschen.
„Wir wollen den Gegner permanent stressen“, war Ihre Leitlinie in Stendal. Sie standen für hohes Pressing und Intensität. Wie sieht Ihr Fußball knapp viereinhalb Jahre später aus? Haben Sie Ihre Philosophie weiterentwickelt?
Mein Fußball ist von der Idee und den Prinzipien her der gleiche, obwohl ich auf meinen Stationen, vor allem natürlich in der Regionalliga, viel gelernt habe. Es ist von der Idee gleich, aber angepasst an die Qualität der Mannschaft. Meine Mannschaft jetzt hat die Qualität für die U17-Bundesliga, aber mit viel Potenzial nach oben.
Jeder Verein hat seine eigene Philosophie, wie der Nachwuchs in seinem NLZ ausgebildet werden soll. Mussten Sie sich mit Ihrer Idee an den FCM anpassen oder sind die Ideen deckungsgleich?
Es gibt natürlich ein Konzept und Prinzipien, die wir gerne sehen möchten und trotzdem ist jeder Trainer in seiner Gestaltung und Umsetzung frei. Das ist das Schöne, dass du dich hier als Trainer wiederfindest und entwickeln kannst. Ich bin auch im Austausch mit dem U19- und U16-Trainer um zu besprechen, was für jede Mannschaft wichtig ist.
Nach dem frühen WM-Aus der deutschen Mannschaft kam erneut Kritik an der Ausbildung der Talente an den NLZs auf. Sie sei zu stromlinienförmig, zu sehr taktisch orientiert, individuelle Qualitäten werden eher unterdrückt als entwickelt. Wie ist Ihre Meinung zu dieser Debatte?
Für uns geht es darum, Spieler zu entwickeln. Ich finde es zum Beispiel gut, wenn ein Spieler ein beidbeiniges Dribbling hat, wenn er in engen Räumen gute Lösungen findet, wenn er sich permanent gut im Raum orientiert und gute Anschlussaktionen hat, wenn er den Ball in einen neuen Raum gebracht hat, wenn ein Spieler hellwach ist in jeder neuen Situation. Es ist wichtig, dass man Eins-gegen-eins gehen kann, dass man dribbeln kann, aber auch, dass man an sich arbeitet und sich körperlich entwickelt. Da wollen wir den Jungs viel mitgeben.
Aber solche Spieler hat ja Deutschland mit Musiala, Sane, Gnabry, auch Götze und trotzdem hat es nicht gereicht.
Und wer kommt dahinter? Man muss es ja auch auf die jeweilige Position runterbrechen. Auch ein Innenverteidiger braucht ein gutes Eins-gegen-eins, sollte beidfüßig sein, damit er zum Beispiel einen schnellen Spurwechsel hat. Da gibt es so viele Dinge. Und außerdem braucht es eine gewisse Mentalität. Und ich glaube, dass die deutsche Mannschaft sich mit vielen Dingen beschäftigt hat, die nicht gerade förderlich für sie waren.
Sie selbst sind mit Ihrer Mannschaft als Bundesliga-Zehnter sportlich im Soll. Wie fühlt es sich für Sie persönlich an, nicht mehr durch die Provinz zu fahren, sondern auf Namen wie den Hamburger SV, Hertha BSC oder im Derby auf Dynamo Dresden zu treffen?
Fußball ist Fußball. Ich liebe dieses Spiel. Ich bin auch gerne in der Regionalliga nach Cottbus gefahren und habe dort vor 6 000 Zuschauern gespielt, spiele aber heute auch gerne mit dem 1. FC Magdeburg gegen Dynamo Dresden zuhause vor 40 Zuschauern. Es ist schön, in Wolfsburg oder Hannover in einem schönen Stadion zu spielen, aber in erster Linie geht es mir darum, den Jungs inhaltliche Dinge mitzugeben, die sie ihr Leben lang abrufen können, um gut Fußball zu spielen. Das motiviert mich!