Die Entscheidung trifft den Club in einer Phase, die sportlich nicht die rosigste ist. Mit 13 Punkten aus 13 Spielen steht die Heide-Elf auf Platz zehn nur knapp vor den Abstiegsplätzen und könnte durch ausstehende Nachholspiele auch noch von zwei Verfolgern überholt werden. „Man hätte sich natürlich gewünscht, dass er die Saison noch zu Ende bringt“, sagt der Vereinsvorsitzende des SV Heide, Udo Spengler. „Er hat es elf Jahre gemacht und es gibt in der Region kaum einen Trainer, der das so lange bei einem Verein durchgezogen hat“, fügt Spengler an. Die Nachfolge haben Spengler und seine Mitstreiter unterdessen schnell geklärt. Gernoth Jahn, Vater von Führungsspieler Nico Jahn und schon seit Sommer im Trainerteam dabei, übernimmt Euens Aufgaben zusammen mit Steffen Schulze. Dieser war bereits im Nachwuchs bei den Jävenitzern und zuletzt in Gardelegen als Trainer aktiv. Das Duo soll den Klassenerhalt gemeinsam mit der Mannschaft, die den Trainerwechsel laut Spengler „gut aufgenommen hat“, schaffen.
Ex-Coach Euen, der dem Verein in zweiter Reihe erhalten bleibt, ist in Sachen Klassenerhalt optimistisch. „Gernoth ist ein feiner Kerl und auch Steffen Schulze, der in meiner Anfangszeit in Jävenitz immer wieder als Torwart ausgeholfen hat, passt gut dazu. Ich denke, das muss den Jungs auch einen Push geben“, meint Euen.
Mit den Gründen für seinen Rückzug hält Guido Euen, der einst auch mehrere Jahre bei Lok Stendal und dem TuS Bismark tätig war, nicht hinterm Berg. „Ich war jetzt 27 Jahre Trainer, davon sieben Jahre in Bismark, sieben Jahre bei Lok Stendal und jetzt elf Jahre in Jävenitz. Und davor war ich ja auch noch Spieler. Das war eine Mammutaufgabe. Fußball ist immer mein Leben gewesen – im Vollsprint, immer angetrieben von einer besonderen Leidenschaft und der Gier nach Erfolg“, sagt Euen. Und eben jener Antrieb ist bei Euen inzwischen auf der Strecke geblieben, auch weil arbeitsmäßig viel auf den Coach eingeprasselt ist. „Ich liebe meinen Job genauso wie ich den Fußball liebe“, sagt Euen und liefert gleich noch Indizien dafür. „Ich habe bei meinem Arbeitgeber in 30 Jahren nie einen Krankenschein abgeben und auch in meiner ganzen Zeit als Trainer kann man an einer Hand abzählen, wann ich mal zu einem Spiel gefehlt habe“, berichtet Euen, dass er den Spagat zwischen Berufsleben und der Leidenschaft Fußball einfach nicht mehr geschafft hat. Eben deshalb stellte sich der als Motivationskünstler bekannte Coach zwei wichtige Fragen: „Was kann ich der Mannschaft noch geben und was hat sie verdient?“ Die Antworten darauf fielen für Euen eindeutig aus: „Meine Performance war nicht mehr gut. Ich war kein Faktor mehr für die Mannschaft. Wenn man so will, bin ich ausgebrannt. Und deshalb kam die Entscheidung jetzt auch zur richtigen Zeit, auch wenn der Zeitpunkt nicht optimal ist. Sportlich ist es mit nur 13 Punkten ja auch keine Mammutaufgabe für meine Nachfolger.“
Und auch wenn Guido Euen bei seinen Schilderungen den Eindruck vermittelt, die Lage äußerst sachlich analysiert zu haben, merkt man ihm doch an, wie schwer ihm der Abschied von der Trainerbank im Heide-Sportpark fällt. „Ich kann der Mannschaft nicht mehr geben, was sie braucht und mir geht es auch nicht gut damit. Aber es wäre auch schlimm, wenn es nicht wehtun würde“, meint Euen. Umso schwerer ist der Abschied auch, weil sein Entschluss im Umfeld des Teams einiges ausgelöst hat. „In Bismark hat es damals keine Sau interessiert, als ich weg war. Bei Lok Stendal hat es auch keine Sau interessiert. Diesmal habe ich viele emotionale Nachrichten bekommen, voller Herzlichkeit und voller Dank. Das hat mich ergriffen und teilweise zu Tränen gerührt“, berichtet Euen mit spürbar schwächer werdender Stimme, um wenige Sekunden später wieder in Realismus abzuschweifen: „Es schmerzt, aber ich bin Realist und habe einen Kopf zum Denken“, untermauert Euen nochmals die Richtigkeit seines Rücktritts.
Wunsch nach einem Titel bleibt unerfüllt
Der Rückblick auf elf intensive Jävenitzer Jahre fällt bei Euen derweil zwiegespalten aus. „Es fühlt sich unvollendet an, weil wir keinen Titel geholt haben. Das war eigentlich mein großes Ziel, deshalb gehe ich ein bisschen unerfüllt. Andere waren sportlich besser, das muss man ehrlich sagen. Dennoch bin ich stolz auf das, was wir erreicht haben – auf und neben dem Platz.“
Abseits des grünen Rasens ist das vor allem die Heimspielstätte. Der Heide-Sportpark gehört ohne Zweifel zu den absoluten Schmuckstücken unter den altmärkischen Sportanlagen. Und das ist auch eine Folge von Guido Euens großer Antriebskraft. Sportlich überzeugte Euens Team 2015 mit dem Einzug ins Kreispokalfinale und der Vizekreismeisterschaft. Diese war auch mit dem Aufstieg in die Landesklasse verbunden und wurde in einem hochdramatischen 3:2-Last-Minute-Erfolg auf eigenem Platz gegen den TSV Kusey eingetütet, der jedem Beteiligten wohl bis an sein Lebensende eine Gänsehaut verschaffen wird. Und auch in der Landesklasse überzeugte die Euen-Elf, hielt sich drei Jahre und konnte am 9. April 2016 mit dem furiosen 7:2-Auswärtssieg beim Lokalrivalen SSV Gardelegen einen weiteren Moment herbeiführen, der bei den Jävenitzern und ihren Anhängern dazu taugt, ihn später den eigenen Enkeln immer wieder zu erzählen.
Ob solche Momente im Jävenitzer Heide-Sportpark zukünftig wieder möglich werden, muss die Zukunft zeigen. Stattfinden werden sie dann aber ohne den Trainer Guido Euen. Er lebt den Fußball ab sofort nicht mehr im Vollsprint.