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„Wahl-O-Mat“-Check vor der Sachsen-Wahl: AfD schon „auf dem Weg zur neuen NPD“?

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Von: Florian Naumann

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Die Flügelkämpfe der AfD
Spitzenpolitiker der AfD bei einer gemeinsamen Demo mit Pegida im September 2018. © dpa / Ralf Hirschberger

Andere Parteien warnen vor rechtsextremen Tendenzen in der AfD. Der Wahl-O-Mat gibt die Möglichkeit, AfD und NPD zu vergleichen - das sind die Ergebnisse.

Potsdam/München - Gut drei Wochen vor der Landtagswahl will einer Umfrage zufolge ein Viertel der Sachsen der AfD die Stimme geben. Ein Höhenflug, der bei den anderen Parteien für Beunruhigung sorgt - zuletzt warnten gleich drei Ministerpräsidenten aus drei verschiedenen Parteien davor, die Rechtspopulisten zu wählen: Michael Kretschmer (CDU), Markus Söder (CSU) und Dietmar Woidke (SPD).

Zumindest Kretschmer und Söder griffen dabei zu einem Argument, das vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte besonders hart trifft - zum Vergleich mit der rechtsradikalen NPD. „Ich bin der festen Überzeugung: Die AfD ist auf dem Weg zu einer neuen NPD“, sagte Söder. Kretschmer erklärte, es gebe in der AfD eine „ganz starke Strömung“, die an die NPD erinnere.

AfD: „Radikaler als manch NPD-Vorsitzender“ - Sorge über Entwicklung

Wieviel an dem Vorwurf dran ist, lässt sich in Zahlen nicht erfassen. Schließlich geht es auch um das Ringen verschiedener „Flügel“ um die innerparteiliche Macht. Im Falle der AfD lässt sich das sogar wörtlich nehmen - denn „Flügel“ heißt auch die Gruppierung um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke, den etwa Söder für „radikaler als manchen ehemaligen NPD-Vorsitzenden“ hält.

Just die Sachsen-Wahl bietet aber Gelegenheit, in groben Zügen zu überprüfen, wie nah die offiziellen Positionen der Landes-AfD an denen der NPD sind. Für den „Wahl-o-mat“ haben beide Parteien 38 Fragen zu aktuellen politischen Themen beantwortet. Sowohl mit einem kurzen Text, als auch per klarer Positionierung in Zustimmung, Ablehnung oder neutraler Haltung. Die Ippen-Digital-Zentralredaktion hat die Antworten ausgewertet.

AfD und NPD vor Landtagswahl: So groß ist die Übereinstimmung im „Wahl-o-Mat“

Das Ergebnis: Gemessen an den offiziellen Antworten der Landesverbände von AfD und NPD gibt es durchaus signifikante Übereinstimmungen. Bei 27 der 38 Fragen äußerten die beiden Parteien dieselbe Haltung. Das entspricht fast drei Viertel (71 Prozent) der Fälle.

Darunter finden sich naturgemäß viele Fragestellungen, die keine Rückschlüsse auf etwaige rechtsextreme Tendenzen zulassen, etwa die nach einer Beibehaltung des Buß- und Bettags als landesweitem Feiertag, oder nach der Strafbarkeit von Cannabis-Besitz. Gerade in Fragen der Migration sind sich AfD und NPD aber fast durchgängig einig.

„Auf dem Weg zur neuen NPD“: Kaum Unterschiede bei migrationspolitischen Fragen

So verlangen AfD und NPD einen Ausbau der Abschiebehaft und eine zentrale Unterbringung von Asylsuchenden sowie einen Einsatz der sächsischen Polizei zum Schutz der Außengrenzen. Einen Schritt, den gleichwohl auch schon Markus Söders CSU in Bayern gegangen ist

Teils geht die NPD zumindest in ihren Begründungen weit über die Forderungen der AfD hinaus - etwa, wenn es um eine zentrale Unterbringung von Asylbewerbern bis zur Entscheidung in ihrem Verfahren geht. „Sie sollten nicht nur zentral untergebracht sein, ihnen sollte auch eine Aufenthaltspflicht auferlegt werden“, fordert die rechtsextreme Partei. Und stellt die Asylsuchenden zugleich als eine Belastung für den Wohnungsmarkt dar - rein statistisch kamen in Sachsen zuletzt circa fünf aktuell Asyl suchende Menschen auf jede politisch eingeständige Gemeinde.

Relevante Unterschiede zwischen den beiden Parteien zeigen sich übrigens vor allem im Bereich klassischer Sozialpolitik. So ist die AfD etwa im Gegensatz zur NPD gegen eine weitgehend prüfungslose Mütterrente und schließt sich nicht der Forderung nach besseren Gehältern für Erzieherinnen an. Hier soll es für die frühere Euro-Kritik-Partei der Markt regeln.

Landtagswahl Sachsen: NPD zeigt bei Wohngeld-Frage ihr Gesicht - „sozial geht nur national!“

Am aussagekräftigsten ist wohl noch eine andere Frage aus dem Themenkreis Migration: NPD und AfD fordern im „Wahl-o-Mat“ jeweils, Wohngeld nur an Deutsche auszuzahlen. Bei der NPD klingt die Antwort gleichwohl noch einmal ideologischer. „Sozial geht nur national!“, deklamieren die Rechtsextremen in ihrer Begründung. „Das Wohngeld ist eine Sozialleistung, die zur materiellen Absicherung Bedürftiger durch eine Solidargemeinschaft dient“, formuliert die AfD eine sehr ähnliche Position in etwas gesetzteren Worten.

Wesentlich nüchterner bewertet beispielsweise die CDU den Sachverhalt. „Diese Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wohngeld sind im Wohngeldgesetz im Sozialgesetzbuch geregelt“, schreibt die Partei. „Von Ausländern, die keinem EU-Mitgliedstaat angehören, wird für den Wohngeldantrag ein gültiger Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz gefordert.”

„Wahl-o-Mat“-Vergleich: Auch CDU teilt Hälfte der Positionen mit NPD

Ohnehin scheint auch der Quervergleich mit den Christdemokraten erhellend: Auch die CDU selbst hat viele Positionen mit NPD und AfD gemein. 24 Mal teilen die Christdemokraten in ihren Ja-Nein-Neutral-Entscheidungen Haltungen der AfD, immerhin noch 19 Mal die der NPD. Viele der hier relevanten Punkte lassen sich durchaus unter dem Label „konservative Positionen“ zusammenfassen. 

Eine Entwarnung mit Blick auf die AfD kann das gleichwohl für sich genommen nicht bedeuten - viele drastische Positionen sind durch die für den Wahl-o-Mat ausgewählten Fragestellungen per se ausgeklammert. Und allzu heftiges Poltern haben sich alle Parteien in ihren Antworten weitgehend verkniffen. Im Falle der AfD dürfte sich in den Äußerungen zudem der aktuelle Parteimainstream widerspiegeln, nicht die Positionen des Höcke‘schen „Flügel“. Auch, wenn der dann und wann seine Macht demonstriert.

Rechtsextremismus-Sorgen in Sachsen: Eine „Wahl-o-Mat“-Antwort spricht Bände

Und so bleibt als deutlichstes Indiz für die Positionen der Parteien wohl der Blick auf die „Wahl-o-Mat“-Frage nach der Förderung für Projekte gegen Rechtsextremismus: Die CDU befürwortet wie alle anderen Parteien mit Chance auf Parlamentseinzug entsprechende Programme, die AfD äußert sich neutral - die NPD spricht sich dagegen aus. 

Der Rechtsextremismus sei ein „eingebildetes Phänomen“, behauptet die Partei in ihrer Antwort. Die AfD hingegen rügt „nur“ eine angebliche „einseitige Konzentration auf Rechtsextremismus“. Beide Thesen scheinen angesichts der NSU-Mordserie oder auch des Mordes an Walter Lübcke mehr oder minder abstrus.

Ungeachtet dessen bleibt die AfD in Sachsen weiter eine starke politische Kraft - wie zuletzt auch die CDU bei einem Wahlkampf-Termin zu spüren bekam. Der Streit über die Landesliste der AfD Sachsen ging unterdessen vor gericht.

fn

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