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Razzia gegen die Letzte Generation: Kommt jetzt das Verbot für die Klimaaktivisten?

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Von: Max Müller

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Am frühen Mittwochmorgen haben Polizei und Staatsanwaltschaft mehrere Objekte der Klimaaktivisten durchsucht. Ein Experte erklärt, ob nun ein Verbot der Letzten Generation droht.

Köln – Mit einer großangelegten Razzia sind Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten ab dem frühen Morgen 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf: Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Dabei ist auch die Wohnung von Sprecherin Carla Hinrichs im Berliner Stadtteil Kreuzberg durchsucht worden. Das bestätigten die Aktivisten am Mittwoch.

Hintergrund der Ermittlungen und Durchsuchungen sind laut Staatsanwaltschaft zahlreiche Strafanzeigen. Die Gruppe macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Die Mitglieder kleben sich dabei häufig fest – an Straßen oder auch an Kunstwerken. Am Dienstag beschmierten acht Aktivisten als Reaktion auf Aussagen von Kanzler Olaf Scholz („Ich finde das völlig bekloppt“) die SPD-Parteizentrale in Berlin mit Farbe.

Bei einer Blockade der Letzte Generation in Berlin wird ein Aktivist mit schwerem Gerät von der Straße gelöst.
Bei einer Blockade in Berlin wird ein Aktivist der Letzten Generation mit schwerem Gerät von der Straße gelöst. © Paul Zinken/dpa

Zentraler Vorwurf im Zusammenhang mit den Durchsuchungen ist laut Polizei und Generalstaatsanwaltschaft, dass die Beschuldigten eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die Letzte Generation organisiert und so mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben sollen. Dieses Geld sei nach bisherigen Erkenntnissen „überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten“ eingesetzt worden. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen.

Razzia gegen Letzte Generation: Es geht um mögliche Finanzierung von Straftaten

Falls sich die Vorwürfe bestätigen, könnten Unterstützer der Klimaschützer belangt werden, erklärt Staatsrechtler Friedhelm Hufen von der Universität Mainz. „Wenn man zum Beispiel Überweisungsscheine mit einem entsprechenden Verwendungszweck oder Rechnungen von Klebstoffen finden würde, könnten diese Personen strafrechtlich belangt werden“, erklärt Hufen. Schwieriger sei der Nachweis der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Denn: „Die strafbaren Aktionen der Gruppe sind ja nicht eigentliches Ziel“, sagt Hufen. „Auch Verstöße gegen die Verfassungsordnung, die zu einem Verbot führen können, sind kaum in einer solchen Durchsuchung zu ermitteln, sondern allenfalls Sache des Verfassungsschutzes.“

Dessen Präsident Thomas Haldenwang gab im März dazu eine zurückhaltende Einschätzung ab. Er sehe die Letzte Generation derzeit nicht als extremistisch an, so Haldenwang, auch wenn einzelne Mitglieder in der Tat Straftaten begangen hätten. Dennoch ist die Diskussion, ob und inwiefern die Letzte Generation möglicherweise die Kriterien für eine kriminelle Vereinigung erfüllt, seit Wochen im Gange. Einige Politiker, etwa aus der Union, habe sich bereits in diese Richtung geäußert.  

Verbot der Letzten Generation schwer zu begründen

Theoretisch könne man die „Letzte Generation“ schon verbieten, erklärt Jurist Hufen. Denn: Die formalen Bedingungen seien erfüllt. Die entsprechende Gruppe brauche eine Organisationsstruktur und ein gemeinsames Ziel. „Das ist bei der ‚Letzten Generation‘ zweifellos der Fall“, sagt Hufen. Somit wäre Paragraf 3 des Vereinsgesetzes anwendbar, nach dem ein Verein als verboten behandelt werden kann, „wenn seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten“. Das müsste dann durch einen Landesinnenminister oder die Bundesinnenministerin festgestellt werden.

Das große Problem sei allerdings die Begründung. „Es ist nicht ersichtlich, dass die Zwecke und die Tätigkeit der ‚Letzten Generation‘ als solche strafbar sind, gegen die Grundsätze der Verfassung verstoßen oder die Verfassung außer Kraft setzen wollen“, so Hufen. Die Letzte Generation möchte einen „Gesellschaftsrat“ installieren, der Vorlagen für den Bundestag erarbeiten soll. Die Plätze in diesem Gremium sollen verlost werden. „Der ‚Gesellschaftsrat‘, aber das ist nur meine persönliche Meinung, ist keine gute Idee“, sagt Hufen. „Aber er wäre sicher innerhalb der Verfassung.“ Anders würde es aussehen, wenn die Klimaaktivisten das Ziel verfolgen würden, dass der Bundestag abgeschafft und an die Stelle eine Art Ökodiktatur treten sollte. „Dann wäre die verfassungsmäßige Ordnung in Gefahr – und ein Verbot sehr gut begründet“, sagt Hufen.

Verbot der Letzten Generation würde „wenig ändern“

Dass der Experte keine Sympathien für die „Letzte Generation“ hegt, kann und will Hufen nicht verbergen. Dennoch sagt er: „Die Aktivisten wollen die verfassungsmäßige Ordnung bei aller Grundsatzkritik nicht abschaffen. Anders war es bei bekannten Anwendungsfällen in der Vergangenheit, wie beim Verbot des ‚Kalifats‘ von Metin Kaplan, dem selbst ernannten ‚Kalif von Köln‘, der eine Scharia-Diktatur errichten wollte. Oder bei der ‚Wiking-Jugend‘, einer neonazistischen Kinder- und Jugendorganisation, die ein nationalsozialistisches Führerprinzip installieren wollte und schon Waffen besorgt hatte.“

Ob die Letzte Generation nun verboten wird oder nicht, ist allerdings wohl eher Thema einer juristischen Hausarbeit. Denn de facto würde ein Verbot mutmaßlich wenig ändern. „Die Aktionen würden ja nicht aufhören, wenn die Letzte Generation morgen verboten wird. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass ein Verbot nichts ändert. Die Rechtsextremisten sind nicht weg, seit die Wiking-Jugend verboten ist“, sagt Hufen.

Dafür spricht auch die Pressekonferenz am Mittwoch, auf der die Letzte Generation zu der Razzia Stellung bezog. Aimée van Baalen, Sprecherin der Aktivisten, forderte alle Bürger dazu auf, sich am nächsten Mittwoch an Protestmärschen in vielen Städten zu beteiligen. An diesem Mittwoch sollte bereits eine Demonstration in Berlin stattfinden. (mit dpa)

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