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Dankbarkeit, Waffen, China: Warum Afrika in der Russland-Frage gespalten ist

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Von: Andreas Schmid

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Ein Mann in Burkina Faso positioniert sich auf einer Demonstration für eine engere Zusammenarbeit seines Landes mit Russland.
Ein Mann in Burkina Faso positioniert sich auf einer Demonstration für eine engere Zusammenarbeit seines Landes mit Russland. © Nicolas Remene/Le Pictorium/Imago (Archivfoto)

Tausende Kilometer entfernt und doch ganz nah: Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs für Afrika sind enorm – werden aber kaum beachtet. Experten beurteilen die politischen Folgen.

München/Frankfurt – Die Vereinten Nationen forderten jüngst den russischen Truppenabzug und eine Friedenslösung im Ukraine-Krieg. Unter den 141 Unterzeichnern der Resolution fehlten einige afrikanische Länder. 23 Staaten enthielten sich oder stimmten nicht ab. Mali und Eritrea votierten gar gegen die Resolution. In der Russlandfrage ist Afrika gespalten. Warum ist das so?

Afrika im Ukraine-Krieg: „starke wirtschaftliche, militärische und politische Beziehungen zu Russland“

Matthias Basedau, Direktor am Leibniz-Institut für Afrika-Studien, sieht mehrere Gründe. Zunächst spiele die räumliche Distanz eine Rolle. Der Ukraine-Krieg werde als weit entfernter Ost-West-Konflikt wahrgenommen, mit dem Afrika per se nichts zu tun hat. Der Afrika-Experte sieht aber auch „starke wirtschaftliche, militärische und politische Beziehungen zu Russland“, wie er auf Anfrage von IPPEN.MEDIA schildert.

Tatsächlich ist Russland für viele afrikanische Länder der größte Waffenlieferant, wie auch die CDU/CSU-Fraktion in einer Kleinen Anfrage bemerkt. Darin schreibt die Union: „Seit der Krim-Invasion 2014 hat Russland militärische Kooperationsabkommen mit mindestens 20 afrikanischen Staaten geschlossen.“ Einige Länder setzen dabei auf die Hilfe der berüchtigten russischen Söldnergruppe Wagner, etwa Mali, der Sudan oder die Zentralafrikanische Republik.

„Russland ist bestrebt, seinen politischen Einfluss in Afrika auszubauen“

Es gibt zwar auch pro-westliche afrikanische Staaten wie Kenia oder Nigeria, doch insgesamt buhlt Russland seit Jahren um die Gunst des zweitgrößten Erdteils. „Nach Auffassung der Bundesregierung ist Russland seit mehreren Jahren bestrebt, seinen politischen Einfluss in Afrika auszubauen“, heißt es in der Ampel-Antwort an die Union.

Einige Länder haben auch historische Beziehungen zu Russland. So unterstützte die damalige Sowjetunion Länder wie Angola, Mosambik oder Namibia beim Erreichen der Unabhängigkeit. Das Trio enthielt sich bei der Resolution. Aus einstiger Verbundenheit zu Russland? Basedau erkennt teils „antiwestliche Ressentiments mit historischen Bezügen“ aufgrund der Befreiungsbewegungen. Im Grunde genommen gibt es zu dem Staat, der nicht aktiv gegen Russland stimmte, eine Geschichte. Südafrika etwa orientiert sich immer mehr gen Moskau, ist Mitglied im BRICS-Bündnis und führte jüngst eine Marineübung mit Russland und China durch.

BRICS-Staaten

BRICS ist ein Staatenbündnis, das die Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika umfasst. Dem Bündnis geht es vor allem um stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Afrika im Ukraine-Krieg: „Der China-Faktor sollte nicht unterschätzt werden“

Die Einflüsse Pekings spielen bei der Bewertung dieses Krieges ebenso eine bedeutende Rolle. „Der China-Faktor sollte nicht unterschätzt werden“, sagt Basedau. „China ist noch vor dem Westen der wichtigste Handelspartner der afrikanischen Länder.“ Diese Einschätzung teilt Linda Maokomatanda. Sie forscht am Kieler Institut für Weltwirtschaft zum Einfluss Chinas in Afrika und sagt uns: „Zusammengenommen sind die EU-Länder oft immer noch wichtiger, aber China wird in vielen Ländern als alternative Quelle für Investitionen und Hilfe geschätzt“. Auch, weil man weniger auf „gute Regierungsführung“ achten müsse. „Das ist attraktiv für Eliten, die sich die Werte, die westliche Demokratien in Afrika fördern wollen, nicht zu eigen machen.“

China nimmt im Ukraine-Krieg offiziell eine neutrale Position ein. Basedau sieht in Peking einen „Verbündeten Russlands“. Maokomatanda erkennt bei China eine Politik des Beobachtens und meint: „Meiner Einschätzung nach sind Chinas Beziehungen zu Europa weitaus wichtiger als die zu Russland, was ein zusätzlicher Anreiz zum ‚Abwarten‘ wäre.“

„Viele Länder versuchen ihren politischen Einfluss in Afrika auszuweiten“

Insgesamt scheint sich ein Buhlen um Zustimmung auf dem afrikanischen Kontinent entwickelt zu haben. Noch nie zuvor gab es so viele diplomatische Besuche in Afrika wie im Jahr 2022, auch Bundeskanzler Olaf Scholz und vier Kabinettsmitglieder waren seit Kriegsbeginn vor Ort. Laut Maokomatanda „versuchen viele Länder – auch, aber nicht nur Russland – ihren politischen Einfluss in Afrika auszuweiten. Deutschland etwa arbeitete ähnlich wie die USA eine Afrikastrategie aus.

Arbeitsminister und Entwicklungsministerin in Afrika: Ein Bauer (l) erklärt auf einer Kakaoplantage Hubertus Heil (SPD, M), Bundesminister für Arbeit und Soziales, und Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, seine Arbeit.
Gemeinsam in Afrika: Entwicklungsministerin Svenja Schule und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) besuchen im Februar Ghana und die Elfenbeinküste. © Christophe Gateau/dpa

Was dabei für Afrika herumkommt, muss sich noch zeigen. Seit Jahrzehnten drängen afrikanische Länder auf langfristige Partnerschaften, etwa beim Handel. Diese ausgestreckte Hand griff sich Europa bislang kaum. Dabei wollen Afrikas Staaten laut Maokomatanda vor allem als „gleichberechtigte Partner auf der internationalen Bühne“ behandelt werden. (as)

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