1. az-online.de
  2. Politik

Bleibt der Gashahn zu? Putin-Kennerin glaubt: Russland-Präsident will Deutsche „frieren sehen“

Erstellt:

Von: Patrick Mayer

Kommentare

Präsident von Russland: Wladimir Putin.
Präsident von Russland: Wladimir Putin. © IMAGO/Mikhail Klimentyev/Kremlin Pool

Öffnet Russland Nord Stream 1 wieder für Gaslieferungen an Deutschland? Eine Außenpolitik-Expertin, die sich mit Wladimir Putin zum Dinner traf, glaubt nein. Sie begründet ihre Meinung mit seinem Charakter.

München/Moskau - Dreht Moskau-Machthaber Wladimir Putin Deutschland den Gashahn wieder auf oder lässt er diesen geschlossen? Diese Frage beschäftigt die deutsche Politik zwischen Berlin und den Staatskanzleien der 16 Bundesländer. Unter anderem Vize-Kanzler Robert Habeck (Die Grünen) zeigte sich besorgt, nachdem Russland wegen der jährlichen Wartung ab 11. Juli für zehn Tage die Gaspipeline Nord Stream 1 geschlossen hatte.

Dreht Wladimir Putin Deutschland den Gashahn ganz zu? Expertin glaubt daran

Der Bundeswirtschaftsminister sprach im Interview mit dem Deutschlandfunk von einem „Albtraum-Szenario“, sollten die Gaslieferungen über die Pipeline nicht wieder anlaufen. „Das wird Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten“, meinte Habeck zur drohenden Gas-Knappheit und den Energie-Sorgen. Weil Putin wirklich Druck aufbauen will, indem kein Gas mehr kommt? Genau daran glaubt Angela Stent.

Möglichst viel Zorn und Unmut unter den Deutschen – davon verspricht Putin sich eine Spaltung der Gesellschaft.

Universitätsprofessorin Angela Stent

Sie ist die Autorin von „Putins Welt: Russland gegen den Westen und mit dem Rest”. Mehr noch: Stent zählt zu den fundiertesten Putin-Experten der USA, fünfzehnmal hat sie mit dem russischen Präsidenten zu Abend gegessen. Zudem war Stent außenpolitische Beraterin der US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush. Heute arbeitet sie für einen parteineutralen Think Tank in Washington und leitet als Universitätsprofessorin das Zentrum für russische und osteuropäische Studien an der Georgetown University. Sie hat das politische Kalkül Putins genau studiert.

„Möglichst viel Zorn und Unmut unter den Deutschen – davon verspricht Putin sich eine Spaltung der Gesellschaft und eine Schwächung des Westens. Er hat es darauf abgesehen, dass populistische Bewegungen stärker werden“, sagt sie im Interview mit Focus Online. Ihre These: Putin will mit dem Gasdruck westliche Gesellschaften spalten und die dortigen Regierungen vor deren Haustüre vor Probleme stellen.

Im Video: Gaspreise verdreifachen sich laut Bundesnetzagentur in Deutschland

Putin wartet sicher nur darauf, dass viele Deutsche diesen Herbst und Winter nicht mehr ausreichend heizen können. Das könnte ein Teil seiner Strategie sein. Er hofft vermutlich, dass die Menschen frieren werden, dass die Inflation weiter ansteigt und die Wirtschaft massive Einbußen verzeichnet“, meint Stent und erklärt: „Wenn dann die Einheit in der Bevölkerung bröckelt, legen radikale Politiker zu. Und Putin reibt sich die Hände.”

Druck von Wladimir Putin auf Deutschland? Expertin analysiert Russland-Präsidenten

Sie habe den 69-jährigen Kreml-Chef vor dem Ukraine-Krieg „immer als einen verlässlichen Handelspartner von Deutschland eingeschätzt – schließlich hat Russland das Geld gebraucht“, erklärt sei im Gespräch mit Focus Online weiter und meint: „Aber heute spielen finanzielle Interessen keine Hauptrolle mehr für Putin. Er hat schlicht und einfach beschlossen, dass ihm die Geldeinnahmen nicht mehr so wichtig sind.“ (pm)

Auch interessant

Kommentare