Finanzminister Lindner zur Kostenexplosion beim Erben: „Das ist Ländersache“
Zittern vor der Erbschaftssteuer: Das Erben von Immobilien kann ab 2023 teuer werden. Lindner will die Freibeträge anheben – doch ziehen die Länder mit?
Berlin – Kleine Änderung, große Auswirkung: Angesichts einer drohenden Kostenexplosion für die Erben von Immobilien in Deutschland hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Länder zum Gegensteuern aufgerufen. Um gewaltige Steigerungen bei der Erbschaftssteuer ab 2023 aufzufangen, brauche es eine Initiative im Bundesrat. „Ich finde, es ist an der Zeit, die Freigrenzen bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer zu erhöhen“, sagte Lindner zu fr.de von IPPEN.MEDIA. Dies sei aber eine „reine Ländersache“. Als Bundesfinanzminister würde er einen Vorstoß in diese Richtung sehr „begrüßen und unterstützen“. In den Reihen der Ampel-Koalition dürfte diese Aussage aber wohl noch für Unruhe sorgen.
Erbschaftssteuer: Christian Lindner (FDP) pocht auf höhere Freibeträge für Erben in Deutschland
Tatsächlich rollt auf die Erben von Immobilien ab 2023 eine große Kostenwelle zu. Seit Wochen tobt ein Streit in der Politik. Schuld sind neue Bewertungsregeln beim Vererben oder Verschenken von Häusern und Wohnungen in Deutschland. So sollen die Immobilien nach einem überarbeiteten Verfahren stärker als bislang am realen Marktwert ausgerichtet werden. Die Ampel-Koalition von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) setzt in ihrem Jahressteuergesetz eine Vorlage vom früheren Bauminister Horst Seehofer (CSU) um, der auf ein Gerichtsurteil reagieren musste.

Vererben von Immobilien: Berechnen der Erbschaftssteuer – ab Januar 2023 gilt neue Grundlage
Die Auswirkungen sind immens. Denn dadurch können bereits ab dem 1. Januar 2023 auf die Erben höhere Abgaben bei der Erbschafts- oder Schenkungssteuer zukommen. Warum? Konkret geht es um eine nötige Änderung beim Sachwertverfahren. Künftig soll bei der Wertermittlung einer zu vererbenden Immobilie eine längere Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden. Verändert werden soll auch der Faktor, mit dem dieser Wert multipliziert wird. Statt bislang bei 0,9 bis 1,1 soll der Faktor künftig bei 1,3 bis 1,5 liegen.
Für viele Erben macht das einen großen Unterschied. Der NDR hat dazu eine Beispielrechnung veröffentlicht: Eine Immobilie mit einem Zeitwert von 400.000 Euro, multipliziert mit dem alten Faktor von 0,9 ergibt 360.000 Euro. Dieselbe Immobilie, multipliziert mit dem neuen Faktor 1,5 beläuft sich schon auf 600.000 Euro. Bislang gilt ein Freibetrag von 400.000 Euro, auf den keine Erbschaftssteuer bezahlt werden muss. Doch wegen der neuen Berechnungen kann dieser nun schnell aufgebraucht sein. In dem Beispiel müsste der Erbe 200.000 Euro versteuern.
Streit um Erbschaftssteuer in Deutschland: Union wirft Lindner eine verdeckte Steuererhöhung vor
Bei vielen potenziellen Erben ist deswegen Panik ausgebrochen. So verzeichnen die Notare in Deutschland einen wahren Ansturm, weil viele Familien die Übergabe des Hauses bis zum Jahresende rasch unter Dach und Fach bringen wollen. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion reagierte bereits mit scharfer Kritik. „Wohneigentum kann zum vergifteten Geschenk und für Erben zur Armutsfalle werden“, sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann der Nachrichtenagentur dpa. Sie warf der Bundesregierung vor, eine verdeckte Steuererhöhung zu betreiben, weil sie die Anpassung der Bewertungsregel ohne eine gleichzeitige Anhebung der Freibeträge auf den Weg bringen würde.
Lindner will höhere Freibeträge: Finanzminister fordert die Länder im Bundesrat zum Handeln auf
Lindner, der insgesamt trotz Energie- und Schuldenkrise jede Steuererhöhungen ausschließt, sieht sich aber zu Unrecht an den Pranger gestellt. Im Gespräch mit fr.de verwies er darauf, dass die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer allein den Ländern zugutekäme. „Warum sollte ich eine Steuer erhöhen, von der am Ende Markus Söder profitiert, aber der Bundesfinanzminister den politischen Ärger hat?“, sagte der Liberale und betonte, dass die Bundesregierung lediglich die rechtlichen Vorgaben umsetze. Der Vorwurf aus dem Unionslager sei deshalb „Unsinn“. Statt zu lamentieren, sollten die Länder lieber selber tätig werden, empfahl Lindner. Zuletzt seien die Freibeträge im Jahr 2009 angehoben worden.
Wie viel darf man steuerfrei erben?
In Deutschland werden jedes Jahr zwischen 300 und 400 Milliarden Euro vererbt oder noch zu Lebzeiten verschenkt. Dabei gelten Freibeträge, auf die keine Erbschaftssteuer bezahlt werden müssen. Die sind aktuell für Ehe- oder Lebenspartner 500.000 Euro, für Kinder 400.000 Euro und für Enkelkinder 200.000 Euro.
Inwieweit der Bundesrat in dem Plan aber mitspielt, bleibt abzuwarten. Denn SPD und den Grünen verspüren wenig Lust, an den Freibeträgen herumzuschrauben. Bereits innerhalb der Ampel-Koalition war es zum Streit um höhere Erbschaftsteuersätzen gekommen. Dementsprechend ist auch das Stimmungsbild in den Ländern. Während die unionsgeführten Länder über den Bundesrat die Freibeträge anpassen wollen, zeigen sich die Bundesländer unter SPD- oder Grünen-Führung zurückhaltend, wie aus einer von der Welt veröffentlichten Umfrage hervorgeht. Unklar ist, wie sich die schwarz-grünen Landesregierungen von Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen verhalten.
Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer: Bundesrat verhandelt über Freibeträge bis zum 16. Dezember
Doch die Zeit drängt. Bis zum Jahreswechsel ist nicht mehr viel Zeit. Am 16. Dezember soll der Bundesrat abschließend über das von Lindner vorgelegte Jahressteuergesetz entscheiden. Bayern hat bereits Änderungswünsche für die Freibeträge beantragt. Wird das Gesetz blockiert, ähnlich wie beim von Lindner mit vertretenen Bürgergeld, wäre eine Einigung im Vermittlungsausschuss noch vor dem Jahreswechsel schwierig. Für viele Erben bedeutet dies erst einmal: Unsicherheit.