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VW, BMW und Mercedes – so sieht ihre Software-Strategie aus

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Von: Andree Wächter

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Autos sind keine Smartphones auf Rädern. Dies haben die Autobauer VW, BMW und Mercedes bei der Entwicklung ihrer Software gelernt.

Wolfsburg – Motor, Reifen und eine Bremse – diese Komponenten gehören zwar immer noch zu einem Auto, aber inzwischen ist die Software unter der Haube sehr viel wichtiger geworden. Ohne Bits und Bytes lässt sich kein Auto mehr über die Straßen lenken. Der große Unterschied zu einem handelsüblichen Computer ist, dass das Betriebssystem nicht Windows (Microsoft) oder macOS (Apple) heißt. Jeder Hersteller tüftelt an seiner eigenen digitalen Lösung. Diese Ziele haben die großen deutschen Autobauer.

VW plant mit der Software aus der eigenen IT-Sparte Cariad

Volkswagen, Audi, Porsche: Im VW-Konzern ist der Aufbau eines Softwaregeschäfts das zentrale Zukunftsthema neben dem Ausbau der E-Mobilität. Eine mittlere zweistellige Milliardensumme fließt in den kommenden Jahren allein in Digitalisierung und Fahrzeugvernetzung. Schwerpunkt der neu gegründeten IT-Sparte Cariad ist die Entwicklung eigener Auto-Software – zum Beispiel für bessere Drahtlos-Updates, Multimedia-Dienste oder Funktionen zu unterschiedlichen Stufen des assistierten, automatisierten und später gänzlich autonomen Fahrens.

Entstehen soll ein „Software-Rückgrat für alle Konzernfahrzeuge“, auch um unabhängiger von Google oder Apple zu werden und mehr Wertschöpfung aus selbst programmiertem Code zu erzielen. Die Software soll Aufgaben in der Steuerung, Bedienung und Vernetzung übernehmen und zudem eine wichtige Rolle in der geplanten VW-Mobilitätsplattform spielen. Hier geht es um Schnittstellen etwa zu Shuttle-Services, ergänzendem Carsharing, Finanzdienstleistungen und anderen Angeboten.

Cariad
Ein Elektroauto von VW mit dem Aufdruck der IT-Sparte „Cariad“. Sie ist verantwortlich für die Software-Strategie des Autobauers. © Sven Hoppe/dpa/Archivbild

Doch das Thema erwies sich bei VW als deutlich komplexer als zunächst angenommen. Seit gut zwei Jahren ist von einem Lernprozess die Rede: Es brauche eben einige Zeit, bis die Entwicklung richtig Fahrt aufnehmen könne. Das Fernziel eines über sämtliche Ausstattungsstufen skalierbaren Betriebssystems (VW.OS) für alle Pkw aus dem größten europäischen Autokonzern ist jedenfalls noch lange nicht erreicht.

Der 2022 abgetretene Vorstandschef Herbert Diess hatte eine Plattform für voll digitalisierte E-Fahrzeuge mit VW.OS ab 2026 angepeilt. Weil es jedoch Verzögerungen gab, wuchs der Unmut – insbesondere bei den Töchtern Porsche und Audi –, die erklärten, Oberklasse-Kunden sollten nicht allzu lange auf neue Funktionen warten müssen. Abstimmungs- und Entwicklungsprobleme bei Cariad hatten Modelleinführungen verschoben. Diess‘ Nachfolger Oliver Blume entzerrte die Software-Strategie. Damit wackelt aber auch der Zeitplan des VW-Kernprojekts Trinity, das ab 2026 als wichtigstes Modell in einem neuen Werk starten sollte.

Für Mercedes ist Software eine Kernkompetenz für einen Autobauer

Mercedes-Benz: Natürlich war es kein Zufall, dass der Stuttgarter Autobauer Mercedes-Benz für sein „Strategie-Update“ den Standort Sunnyvale in Kalifornien anstelle der Zentrale in Untertürkheim wählte. Silicon Valley statt „The Länd“: Im Herzen der Tech-Industrie erklärten Vorstandschef Ola Källenius und seine Kollegen am Mittwoch, 22. Februar, wie das eigene Betriebssystem (MB.OS) den Konzern in eine softwaregetriebene Zukunft führen soll.

Mitte des Jahrzehnts will Mercedes mit dem Stern MB.OS einführen – gemeinsam mit der neuen Fahrzeug-Plattform MMA. Das Unternehmen habe sich dazu entschieden, „Architekt des eigenen Betriebssystems“ zu sein, sagte Vorstandschef Ola Källenius. Software sei eine Kernkompetenz für einen Autobauer. „Jetzt müssen wir liefern“, sagte Källenius.

Ola Källenius
Ola Källenius, Vorstandsvorsitzender der Mercedes-Benz Group AG, im Gespräch. © Christoph Schmidt/dpa

MB.OS werde vom Unternehmen selbst entwickelt, um die volle Kontrolle über die Kundenbeziehungen zu behalten sowie den Datenschutz zu gewährleisten. Es habe Zugriff auf sämtliche Bereiche des Fahrzeugs: Infotainment (Unterhaltung und Information), Fahrzeug- und Komfortfunktionen, Fahren und Laden sowie automatisiertes Fahren. Das Betriebssystem entkoppele Hardware von Software und ermögliche schnellere Innovationszyklen und erhöhe - mit einer Verbindung über die Cloud - die Flexibilität und Geschwindigkeit von Updates.

Mercedes setzt auf YouTube in seinen Autos – softwarebasierte Umsätze steigen an

Das Unternehmen setzt bei der Autosoftware auf interne Expertise, aber auch auf ausgewählte Partner. So solle künftig zum Beispiel die App der Video-Plattform YouTube in den Autos verfügbar sein. Anwendungen der Videokonferenzdienste Webex und Zoom sollen ebenso integriert werden wie der Spieleanbieter Antstream. Zudem soll der wichtige chinesische Markt mit Inhalten des Online-Giganten Tencent bedient werden. Beim automatisierten Fahren arbeitet Mercedes zudem schon länger mit dem US-Spezialisten Nvidia zusammen.

Bis Ende des Jahrzehnts sollen die Umsätze mit Software auf einen hohen einstelligen Milliarden-Euro-Betrag wachsen. Bereits 2022 hätten die software-basierten Umsätze über einer Milliarde Euro gelegen. 2025 soll mit den digitalen Diensten eine Milliarde Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern erwirtschaftet werden. Nach eigenen Angaben steckt Mercedes pro Jahr ein bis zwei Milliarden Euro in die Entwicklung. Mitte des Jahrzehnts sollen die Ausgaben für Software dann 25 Prozent des Budgets für Forschung und Entwicklung ausmachen.

„Haben keine Angst vor Tech-Playern“: BMW will Hardware und Software miteinander verbinden

BMW: Die Münchner wollen zusammen mit großen IT-Konzernen Hardware und Software verbinden. BMW achtet aber darauf, die Hoheit über die Daten zu wahren und die Systeme selbst verknüpfen zu können, um nicht von einzelnen Partnern abhängig zu werden. „Wir haben überhaupt keine Angst vor Tech-Playern, weil wir mit allen zusammenarbeiten“, sagte Vorstandschef Oliver Zipse im Januar bei der Technikmesse CES in Las Vegas. Dies sind neben den IT-Giganten auch viele hoch spezialisierte Start-ups. Autos seien nicht bloß Smartphones auf Rädern, sie seien komplex, erklärte Zipse – eine Hürde für etablierte Tech-Konzerne.

Wir haben überhaupt keine Angst vor Tech-Playern.

BMW-Vorstandschef Oliver Zipse

2025 will BMW eine neue, auf Elektroantriebe ausgerichtete und softwaredefinierte Fahrzeuggeneration auf den Markt bringen: die sogenannte Neue Klasse. Einen Ausblick gab der Autobauer mit dem Visionsfahrzeug BMW i Vision Dee (Digital Emotional Experience).

Zipse sagte, der Wagen zeige, „was möglich ist, wenn Hardware und Software verschmelzen“. Das Head-up-Display projiziere Informationen über die gesamte Breite der Windschutzscheibe. Und das Auto passe sich den Gewohnheiten des Fahrers an – öffne etwa bei Annäherung automatisch die Tür, schlage Navigationsziele vor und stelle Informationen, Nachrichten, Kalendereinträge oder Social-Media-Posts zur Verfügung. Sogar die Wagenfarbe lasse sich digital ändern.

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