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Wittingen will den Weck-Effekt: Nachrüstung bei Sirenen geplant

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Von: Holger Boden

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Eine Sirene ist auf einem Hausdach neben einem Schornstein angebracht.
Nun ist die Erkenntnis gereift, dass sie doch gebraucht werden: Bei der Warnung der Bevölkerung will der Staat künftig wieder stärker auf Sirenen setzen. © Jens Büttner / dpa

Wittingen – Chemieunfälle, Naturkatastrophen, Terror, vielleicht gar ein Kriegsszenario – will keiner, aber sollte es dazu kommen, dann muss die Bevölkerung gewarnt werden. Als das 2020 bundesweit getestet werden sollte, wurde der „Warntag“ zum Flop: Digitale Warnungen per App kamen zum Teil verspätet bei den Bürgern an, analoge Systeme wie Sirenen warnten vielerorts niemanden, weil einfach keine Sirenen mehr da waren. Nun kommt die Renaissance der heulenden Blechdeckel auf dem Dach – auch im Wittinger Stadtgebiet.

Wie groß bundesweit der Nachholbedarf ist, zeigt sich daran, dass Bund und Länder gerade den für September 2021 geplanten Warntag abgesagt haben. Man will laut Bundesinnenminister Horst Seehofer erst noch eine „umfassende Testlandschaft“ aufbauen. Mit anderen Worten: Ein Warntag im September käme wohl noch zu früh und könnte in ein erneutes Fiasko münden.

Medienberichten zufolge verfügen in der Region beispielsweise Braunschweig und Peine über kein Sirenennetz mehr. Immerhin: Im Landkreis Gifhorn gibt es das noch, man kennt das von regelmäßigen Probealarmen. Auch das Wittinger Stadtgebiet ist kein Sirenen-Niemandsland, doch gibt es hier und da ein paar Lücken. Die will die Stadt nun stopfen, wie Stadtbürgermeister Andreas Ritter jüngst dem Feuerschutzausschuss erläuterte.

Helfen soll dabei ein 88 Millionen Euro schweres Förderprogramm des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) – das soll Länder und Kommunen in die Lage versetzen, ihr Sirenennetz auszubauen.

27 Sirenenanlagen gibt es im Stadtgebiet, das ist bei 25 Ortschaften gar nicht übel. Allerdings haben manche Orte auch mehrere Sirenen, andere dafür gar keine. Im Wittinger Rathaus hat man etwa Bedarf für zusätzliche Anlagen in Stöcken und Boitzenhagen identifiziert.

Laut Bettina Kahrens, Abteilungsleiterin für Sicherheit und Ordnung, macht die Stadt eine Bedarfsanalyse und fragt dafür die Ortswehren – auch nach etwaigen Problemen bei vorhandenen Sirenen. Da geht es darum, ob Anlagen anders eingestellt werden müssen, oder ob gegebenenfalls in einem Ort neue oder zusätzliche Standorte nötig sind. Gibt es Handlungsbedarf, soll auch der Ortsbürgermeister bzw. -vorsteher involviert werden, zumal bei der Standortwahl viele Kriterien eine Rolle spielen, auch das Ortsbild.

Laut Kahrens muss mit 6000 bis 10 000 Euro pro Sirene kalkuliert werden, je nach örtlichen Verhältnissen könne es auch teurer werden. Eine Förderung aus dem BBK-Topf kann man beantragen, ein Selbstgänger ist sie nicht. Zumindest einen Teil der Kosten wird die Kommune selbst tragen müssen.

Bundesweit waren viele Sirenen in den 90er und 2000er Jahren abgebaut worden – nach dem Ende des Kalten Krieges hielt man sie für entbehrlich, und natürlich hatte das auch Kostengründe. Nun also ein Umdenken, und dafür müssen die Behörden frisches Geld in die Hand nehmen.

In einem Rundschreiben des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes an die Kommunen heißt es erläuternd, dass „Sirenen mit ihrem Weck-Effekt sicherstellen können, auch die Teile der Bevölkerung zügig und zuverlässig zu warnen, die zum Ereigniszeitpunkt keinen Zugriff auf andere Warnmittel haben“, das hätten „die Erfahrungen der letzten Jahre“ gezeigt. Man hätte auch schreiben können, was eigentlich ohnehin klar sein dürfte: Nicht jeder ist nachts um halb drei vor dem Fernseher oder online, und nicht jeder schläft mit dem Smartphone und Warn-App Nina neben dem Kopfkissen.

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