Der Impuls war in Müden aus dem Verkehrsverein gekommen, Förderung gab es aus dem Leader-Topf, bei einer Bürgerbeteiligungsgesellschaft sind 530 Müdener mit von der Partie, mehr als 150 000 Euro Bürgerkapital stecken in dem Projekt. Ritter lobte den Dorfladen im Celler Nordkreis als „Vorzeigeprojekt“, doch sei auch klar, dass sich das Rezept nicht einfach kopieren lasse: „Die Strukturen sind andere.“
In Müden war von der Nahversorgung vorher nicht viel übrig – davon kann in Wittingen keine Rede sein. „Tante Hanna“ profitiert zudem stark vom Tourismus, wie Dietz sagte. In Wittingen spielt der Fremdenverkehr nicht annähernd die Rolle, die er in dem 2300-Einwohner-Ort hat.
Dietz erläuterte, dass es bei dem Dorfladen gar nicht mal in erster Linie um regionale Produkte geht, sondern um eine grundlegende Nahversorgung, mit REWE als „bärenstarkem Partner“ – die Supermarkt-Kette liefert ein breites Sortiment an Lebensmitteln für die Regale von „Tante Hanna“. Die Regionalität, so Dietz, sei Schritt für Schritt dazugekommen, inzwischen arbeite man mit zwölf regionalen Anbietern als sogenannten „Streckenlieferanten“.
Mithin ein Konzept, das möglicherweise nicht ganz das ist, worauf man in Wittingen abzielt – bei dem man sich aber in Punkten wie Bürger-Identifikation einiges abschauen könnte. „Die Beteiligung der Bürger ist der richtige Weg, um Akzeptanz zu gewinnen“, fand der Kakerbecker Landwirt Joachim Banse. Ein auf Kooperation und Gemeinschaft basierendes Modell brachte auch Sarah Wittenberg ins Spiel – Gewinnorientierung müsse nicht unbedingt oberste Prämisse sein.
Der Rumstorfer Landwirt Friedrich Lührs plädierte dafür, dass es in der Brauereistadt um einen „reinen Regio-Laden“ gehen müsse: „Sonst treten wir in Konkurrenz zu den vorhandenen Märkten.“ Ritter merkte an, dass sich natürlich die Frage stelle, ob der reine Fokus auf Regionalität am Ende tragfähig ist. Dietz umschrieb die Müdener Erfahrungen so: „Erst die Pflicht, dann die Kür“ – wobei mit „Kür“ die regionalen Produkte gemeint waren.
So darf man nun in und um Wittingen trefflich diskutieren. Der Suderwittinger Landwirt Christian Stucke meinte, man müsse mit einem Regio-Angebot räumlich genau dorthin, wo ohnehin viel Kundenfrequenz sei, also etwa ans Einkaufszentrum an der Knesebecker Straße. Das wäre dann nicht die Innenstadt, die der eigentlichen Idee nach durch solch ein Projekt gestärkt werden soll. Axel Schulz-Hausbrandt, Geschäftsführer der Privatbrauerei, meinte, ein reines Regio-Sortiment werde wohl nicht ausreichen, um die Kunden in die Innenstadt zu holen: „Da müsste man mehr bieten.“
Hanna Meyer aus Tülau konnte sich eine Art Markthalle vorstellen, in der das Einkaufen mit Gastronomie und CoWorking verknüpft wird. Ilona Henke aus Hankensbüttel sah ebenfalls Bedarf für ein gastronomisches Zusatz-Angebot. Auch Bettina Dietz von der Müdener Tourist-Information betonte die soziale Funktion und den Treffpunkt-Charakter, den „Tante Hanna“ hat.
So gibt es also zahlreiche denkbare Stoßrichtungen. Für Rathauschef Ritter war wichtig, dass nicht am Bedarf der Wittinger vorbeigeplant wird, deshalb brauche man im Prinzip eine Bedarfsabfrage. So etwas lasse sich unter Umständen im Rahmen von „Perspektive Innenstadt“ realisieren.
Der Planungsprozess soll nun weitergehen. Dass dicke Bretter gebohrt werden wollen, war am Müdener Beispiel abzulesen – dort hatte die Phase der Vorbereitung sieben Jahre gedauert, und auch nach der Eröffnung war noch langer Atem gefragt: „Die ersten anderthalb Jahre“, so berichtete Dietz, „waren schwierig.“