Ein 32-jähriger Flüchtling will erstmal sein Deutsch verbessern („Das Erlernen ist kompliziert.“) und dann im Baugewerbe einen Job finden. Er hat ein IT-Studium abgeschlossen und kann sich vorstellen, später als Entwickler und Tester zu arbeiten. Am Tag des Kriegsbeginns war er in Kiew und sah russische Sturmtruppen. Molotowcocktails seien auf die Panzer geworfen worden. Er versuchte, per Zug wegzukommen, doch zweimal seien die Fahrten storniert worden. Schließlich wurde er mit mehreren Personen per Auto evakuiert. An den U-Bahn-Stationen sah er Menschen mit ihren Haustieren auf der Flucht.
Ein Mann, der auch anonym bleiben möchte, wurde gleich mehrmals zum Flüchtling. Als er 16 Jahre alt war, brachen Kämpfe in Usbekistan aus und er musste mit seinen Eltern die Heimat verlassen. Sie fingen in Irpin in der Ukraine neu an. Sein 2012 für die Pension auf der Krim in Feodossija gebautes Haus verlor der Mann, der mehrere Diplomabschlüsse hat, da seine Papiere dafür aus Sicht der russischen Verwaltung nicht gültig waren. Jetzt nach Kriegsbeginn erlebte er Helikopter, die dicht am Haus vorbeiflogen, sowie Straßenkämpfe und die Totenstille danach. Er stand Kontrollen, auf der Straße und zu Hause, durch russsische Soldaten durch. Seine Eltern seien als Geiseln genommen worden. Nach seiner Flucht lebt er nun mit seiner Mutter und einem seiner Söhne hier, sein Vater habe es leider nicht geschafft und sei verstorben. Seine Ex-Frau ist mit den anderen Kindern in Polen.
Die Ukrainehilfe Hankensbüttel nahm Ende Februar 2022 ihren Anfang. Initiatorin Anna Bohne packte – kurz nach der Nachricht über den Kriegsbeginn – anfangs noch selbst ihren Wagen mit Sachspenden voll, ihre Wohnung und die Garage waren auch voll damit. Als Mitstreiter der ersten Stunde kommen Pastor Jörn Kremeike, Samtgemeindebürgermeister Henning Evers und Petra Schwarzburg hinzu. Auch Jolanta Sawitzki unterstützt mit ihrem großen Netzwerk, Martin Rausch und Antje Krummel sind weitere Unterstützer.
In Privatautos wurden die Sachspenden am Anfang noch über Polen an die ukrainische Grenze gebracht. Später gingen sie, größtenteils über private Netzwerke, auf den Weg Richtung Osten. Das HSV-Sportheim an der Steimker Straße und das alte Post-Gebäude an der Bahnhofstraße dienten zwischenzeitlich als Lager für gespendete Gegenstände. Das Netzwerk wird von der Hankensbütteler Kirchengemeinde, dem Gymnasium und der Samtgemeinde unterstützt. Zusätzlich fand das Bündnis mit Paul-Tobias König ab März 2022 einen zentralen Koordinator der ehrenamtlichen Hilfe vor Ort. Ansprechpartner für die Möbel, für die Annahme der Spenden, für die Wohnungsvermittlung und für die Organisation der Transporte in die Ukraine stehen bereit. Im November zog die Ukrainehilfe an ihren jetzigen Standort im ehemaligen Hol-Ab-Markt am Handwerkerring (König: „Das war ein Kraftakt.“).
• Sachspenden können am Handwerkerring 18 dienstags zwischen 16 und 17.30 Uhr sowie samstags zwischen 10 und 12 Uhr abgegeben werden.
• Geldspenden für die Ukraine-Hilfe sind ebenfalls willkommen und können an folgendes Konto überwiesen werden.
Kontoinhaber: Kirchenamt in Gifhorn
IBAN: DE34 2699 1066 0191 0000 00
BIC: GENODEF1WOB
Volksbank BraWo
Verwendungszweck:
2824-31141, „Ukrainehilfe“
Seit Mitte 2022 arbeitet das Bündnis mit zwei Einrichtungen in Hannover zusammen: zum einen eine Hilfsorganisation, die die Spenden an ukrainische Familien in der Landeshauptstadt verteilt, zum anderen die Ukrainische Kirchengemeinde Sankt Wolodymyr. Die Hilfsgüter werden in Hannover auf 40-Tonner verladen und fahren von dort aus direkt in die Ukraine, wo sie an Familien und Krankenhäuser übergeben werden. Mariya Maksymtsiv koordiniere die Ukraine-Hilfe der Gemeinde in Hannover.
Der Helferkreis in Hankensbüttel besteht aus 30 Personen, der harte Kern sind 15 bis 20 Aktive. Auch Ukrainer machen dort schon mit. Laut König gibt es weiterhin viele Sachspenden, die je nachdem zwischen den ukrainischen Bedürftigen oder den Flüchtlingen aus anderen Ländern, die bereits hier in der Samtgemeinde sind, aufgeteilt werden. „Wir möchten nicht eine ‘Zwei-Klassen-Flüchtlingssituation’ fördern, die leider in einigen Bereichen stattfindet.“ Lediglich das Aufkommen von Geldspenden habe zuletzt etwas nachgelassen, das sei in Zeiten von hohen Energiepreisen und hoher Inflation aber auch nicht verwunderlich, sagen König und Bohne übereinstimmend. Nach wie vor werde aber gespendet. Zuletzt hatte etwa eine Kita aus der Region gut 300 Euro aus einem Kaffee- und Kuchen-Verkauf zu Weihnachten gespendet. Unterstützung kommt zudem von Gewerbebetrieben und Vereinen aus der Region.
Der Aktionsradius des Bündnisses ist der gesamte Nordkreis. Das Netzwerk weiß von rund 100 Ukrainern in der Samtgemeinde Hankensbüttel (Stand Januar) und 120 im Wittinger Stadtgebiet.
In Kooperation mit der KVHS Gifhorn gibt es einen Sprachkurs für Anfänger mit 27 Teilnehmern, den dreimal pro Woche Annegret Lange leitet. Dieser ist zunächst auf insgesamt 100 Stunden anlegt, eine Verlängerung des Kurses wird angepeilt. In den Sommerferien wurde ein gut besuchter Sprachkurs für Kinder umgesetzt.
„Wir erleben viele glückliche Gesichter von Menschen, die dankbar sind, aber es gibt auch gewisse Enttäuschungen“, sagt König. Etwa wenn Menschen über Nacht aufbrechen, ohne vorher etwas zu sagen. Die Fluktuation sei groß. Die Mischung aus Aufmunterndem und Enttäuschungen gelte ebenso für den Umgang mit Behörden.
Gottesdienst am Samstag, 25. Februar
Im Rahmen der Ukrainehilfe Hankensbüttel lädt die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde am Samstag, 25. Februar, zu einem Gedenk- und Bitt-Gottesdienst ein. Dieser ist für Ukrainer, Deutsche und alle, die der russische Krieg gegen die Ukraine beschäftigt, gedacht. Er findet von 16 bis 17 Uhr in der St. Pankratius-Kirche statt. In dem Gottesdienst, der von Pastor Jörn Kremeike geleitet wird, wird der Opfer des Krieges gedacht und um Frieden gebetet. Es wird auch die Möglichkeit geben, selbst eine Kerze anzuzünden und für die Menschen zu beten, die einem am Herzen liegen. Für Gäste aus Wittingen wird ein Fahrdienst angeboten: Es wird darum gebeten, sich vorher per WhatsApp oder E-Mail (ukrainehilfe@hankensbuettel.eu) mit der Nennung der Zahl der Personen anzumelden.
Zu einem Jahr Krieg in der Ukraine äußert sich die SPD-Landtagsabgeordnete Kirsikka Lansmann in einem Presse-Statement: „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat viel Leid mit sich gebracht. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die Einzelschicksale anschaut.“ Familien seien auseinandergerissen worden und mussten ihre Heimat verlassen. „Die Brutalität des Krieges macht mich noch immer fassungslos und darf daher niemals zur Normalität werden. Der Krieg hat auch spürbare Veränderungen hier bei uns mit sich gebracht.“ So standen und stehen die Schulen sowie Kitas noch immer vor der großen Herausforderung, geflüchtete Kinder möglichst gut in den Kita- und Schulalltag zu integrieren. Lansmann: „Gemeinsam haben wir in diesem Jahr viel erreicht, müssen aber weiter dranbleiben. Wir werden daher weiter alles daransetzen, dass wir die geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer so gut es geht unterstützen und dabei als Gesellschaft weiter zusammenrücken.“