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Geplante Fahrprüfung für Senioren: Unverständnis bei Betroffenen

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Von: Christian Reuter

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Helga Uhlmann aus Salzwedel fährt seit 53 Jahren unfallfrei Auto. Die EU-Kommission plant eine Fahrprüfung für Senioren. Das sorgt bei Betroffenen für Unverständnis. © Christian Reuter

Die EU-Kommission prescht gerne mit neuen Ideen vor und verunsichert damit viele Menschen, auch in Deutschland. Nun gibt es Pläne, die eine Fahrprüfung für Senioren vorsehen. Konkret sollen sich Autofahrer über 70 künftig alle fünf Jahre überprüfen lassen, ob sie noch fahrtauglich sind. Entweder per Selbsteinschätzung, die auszufüllen wäre oder über eine ärztliche Untersuchung. Die AZ fragte bei verschiedenen Institutionen nach, was sie von den Plänen der EU-Kommission halten.

Salzwedel. „Ich bin dafür, einheitliche Grenzen und Standards einzuführen“, sagt Lothar Heiser, ehemaliger Polizist und langjähriges Mitglied der Verkehrswacht Salzwedel. Es wolle keiner wahrhaben, dass im Alter die Fähigkeiten, die zum Autofahren erforderlich sind, nachließen. Heiser: „Fehler einzusehen, fällt vielen älteren Kraftfahrern schwer.“

Andererseits seien vor allem auf dem Land gerade ältere Menschen auf das Auto angewiesen, weiß der Polizist im Ruhestand. Er plädiert dafür, dass Kraftfahrer ab einem bestimmten Alter regelmäßig von einem Arzt untersucht werden, ob sie noch fahrtauglich sind und auch eine praktische Fahrstunde absolvieren müssen. „Ein Alter von 70 Jahren halte ich dabei für sinnvoll“, sagt Heiser (71).

Anderer Ansicht ist dagegen Helga Uhlmann aus Salzwedel. „Ich möchte keine Prüfung mehr machen. Ich fahre seit 53 Jahren unfallfrei“, sagt die 79-Jährige während einer Runde Skat in der Begegnungsstätte der Volkssolidarität am Südbockhorn.

Auch Christa Schindler, Vorsitzende des Kreisseniorenbeirats, hält nichts von einer Fahrprüfung für Senioren, sie sei davon nicht überzeugt. „Es gibt noch keine Erkenntnisse, dass Senioren mehr Unfälle verursachen als andere Altersgruppen.“ (Anmerkung der Redaktion: Nach Aussage des Unfallforschers Siegfried Brockmann gegenüber dpa fahren Senioren viel weniger Auto und haben deshalb, bezogen auf die Kilometerfahrleistung, ein höheres Unfallrisiko, das ähnlich hoch sei wie bei 18- bis 24-Jährigen.)

Falls tatsächlich Fahrprüfungen für Senioren verpflichtend vorgeschrieben werden sollten, wären davon in erster Linie die Fahrschulen betroffen. Was halten diese von den Plänen der EU-Kommission: sinnvoll oder doch eher übertriebener Aktionismus?

„Letzteres“, sagt Rita Lentz, die in der Fahrschule ihres Mannes in Salzwedel mitarbeitet. Und fügt noch hinzu: „Wir kommen schon so nicht hinterher mit den Fahrschülern. Das würden wir zeitmäßig gar nicht mehr schaffen, noch ältere Leute zu schulen.“

Bleibt noch die Frage, was die Polizei zu den Plänen der EU-Kommission sagt. „Derzeit sieht die Landespolizei keinen Anlass, um für ältere Menschen, die am Straßenverkehr teilnehmen möchten, einen regelmäßigen Gesundheitscheck einzufordern“, teilt Karina Wessel, Pressesprecherin im Innenministerium von Sachsen-Anhalt, mit.

Aber: „Nachdem die Zahl der Verkehrsunfälle mit Seniorenbeteiligung ab 65 Jahren in den durch die Corona-Pandemie geprägten Jahren signifikant gesunken ist, stieg deren Beteiligung an Verkehrsunfällen im Jahr 2022 erstmals wieder an. Auch die Anzahl der verunglückten Senioren ist ansteigend. Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Senioren (60) hat sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu verdoppelt“, informiert Wessel. Die Landespolizei führe bereits Präventionsveranstaltungen und -maßnahmen für diese Altersgruppe durch. Noch in diesem Quartal solle eine landesweite Kampagne gestartet werden, um die sichere Teilnahme von Menschen ab 65 Jahren im Straßenverkehr zu fördern und die Anzahl folgenschwerer Verkehrsunfälle zu reduzieren, so Wessel.

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