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Der letzte Schuhmacher schließt

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Von: Hanna Koerdt

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Maik Bock sitzt in seiner Schuhmacher-Werkstatt
Schuhmacher Maik Bock aus Kalbe gibt schweren Herzens zum 1. April seine Werkstatt auf. © Koerdt, Hanna

Seinen ersten Auftrag als selbstständiger Schuhmacher in Kalbe nahm Maik Bock am 15. August 1990 an. Für zehn D-Mark erneuerte er Absätze. Seit 2019 ruht seine Werkstatt, jetzt schließt er sie offiziell zum 1. April endgültig.

Kalbe – Maik Bock ist einer von nur noch zwei klassischen, nicht auf Orthopädieschuhtechnik ausgerichteten Schuhmachern, die es im Altmarkkreis Salzwedel noch gibt. Allein in Kalbe waren zu DDR-Zeiten noch acht Schuhmacher tätig, weiß der Kalbenser. Sein Handwerk wurde ihm von der DDR-Berufslenkung zugewiesen, erinnert er sich zurück. Eigentlich wollte er Elektriker werden, doch dies war aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Im September 1986 begann Bock seine Lehre bei Schuhmacher-Meistern in Stendal und besuchte für den theoretischen Teil der Lehre die Berufsschule in Ohrdruf in Thüringen. Danach arbeitete er mit zwei Kollegen in einem Dienstleistungsbetrieb in Kalbe, wurde dann aber zu Beginn des Jahres 1989 in die Armee einberufen. Als er nach anderthalb Jahren im April 1990 aus Bernau bei Berlin zurück nach Kalbe kam, „gab es den Betrieb nicht mehr“. Nach einem beruflichen Abstecher als Deponiewart entschied sich Maik Bock dazu, seine eigene Schuhmacher-Werkstatt zu eröffnen. Er kaufte die komplette Ausrüstung eines Dienstleistungsbetriebs, die ihm zuvor angeboten wurde, wobei von den Werkzeugen „schon einiges weggeklaut war“, wie beispielsweise der Schleifbock und Schuhweitapparate.

Im ersten Jahr der Selbstständigkeit hatte er einen monatlichen Verdienst von etwa 2000 Mark, erzählt Maik Bock. „Ein Jahr lief es gut“, doch dann veränderte sich die Situation auf dem Markt. Es seien vor allem Besserverdienende, die zu seinen rund 100 Stammkunden gehörten, „ihre Schuhe lieben“ und in Reparaturen an der liebsten Fußbekleidung investieren. Die meisten kaufen sich aber einfach neue günstige Schuhe, wenn ihre alten hin sind. Schon 1990 sagte ihm ein Vertreter der Handwerkskammer deshalb, „dass das ein aussterbender Beruf ist“, sagt Maik Bock.

Trotzdem ließ der Schuhmacher sich nicht entmutigen und übte seinen Beruf weiterhin aus. Er hatte in Arendsee, Bismark und Mieste sogar Annahmestellen. Fast drei Jahrzehnte unterstützten ihn seine Mutter Margrit und Ehefrau Simone bei der Annahme und Ausgabe der Aufträge in der Kundenbetreuung, beispielsweise wenn die Sirene ging und Maik Bock als Feuerwehrmann während seiner Öffnungszeiten ausrückte. Beide Frauen verstarben innerhalb der vergangenen zwei Jahre.

Seit 2019 ist Maik Bock selbst gesundheitlich eingeschränkt. In den vergangenen Jahren stiegen zusätzlich allgemeine Kosten, allein der Jahresbeitrag der Handwerkskammer hat sich verdoppelt. Und „Corona war der endgültige Bruch“, sagt Bock. Sein Werkstattmaterial wird er nach und nach verkaufen, eventuell ergibt sich sogar ein Interessent, der die komplett funktionierende Werkstatt kaufen will. „Ansonsten bleibt sie lange stehen, damit ich meine eigenen Schuhe reparieren kann.“

Einen Lieferanten hatte er seit 30 Jahren, mit dem er die Zusammenarbeit sehr geschätzt hat. Aber „schweren Herzens muss ich diesen Schritt jetzt machen, und es tut mir so unendlich leid, nach 33 Jahren nicht mehr für meine liebe Kundschaft da zu sein“.

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