Prozess in Gardelegen: 22-Jähriger schlug auf Bekannten ein und beleidigte Polizisten

Das Amtsgericht Gardelegen verurteilte einen jungen Mann zu 100 Arbeitsstunden.
Gardelegen – Er kämpfte mit den Tränen. „Das war echt Scheiße von mir“, beteuerte der Angeklagte vor wenigen Tagen im Gardelegener Amtsgericht. Der 22-Jährige saß wegen „gefährlicher Körperverletzung“ sowie „Beleidigung“ vor Richter Axel Bormann. Und gab zu, beim vergangenen Hansefest einen Polizisten beleidigt zu haben. Am 17. September nachts um 0.38 Uhr hörte er auf dem Rathausplatz mitten auf der Festmeile zu laut Musik, schmiss einen Mülleimer um und wurde von einem Polizisten zur Ordnung gerufen. Daraufhin tickte der junge Mann offenbar aus und beleidigte den Ordnungshüter mit Ausdrücken wie „Du Bastard“, „Du Spast“ und „Du Wichser“.
Warum er das getan habe, wollte Richter Axel Bormann vom Angeklagten, der arbeitslos ist und auch noch nie eine Lehre begonnen hatte, wissen. Seine Antwort: „Ich bin schnell reizbar.“ Er habe das Borderline-Syndrom und sei depressiv, bekannte er. Vor zehn Jahren – also noch als Jugendlicher – bekam er seine erste Therapie. Seit 2018 nehme er aber aus eigener Entscheidung keine Medikamente mehr. Beim Hansefest-Vorfall war er stattdessen betrunken – ebenso wie zwei Monate vorher, als er am 29. Mai 2022 frühmorgens um 5.20 Uhr einen Bekannten schlug, ihm Tierabwehrspray ins Gesicht sprühte und deshalb sich zusätzlich wegen „gefährlicher Körperverletzung“ verantworten musste. Auch da hatte er 1,55 Promille intus (Axel Bormann: „Sie waren ganz schön dicht“) – sein Gegenüber kam sogar auf 2,36 Promille. Der Angeklagte kam an jenem Tag mit einer Bekannten im Morgengrauen aus einer Kneipe in Gardelegen, man hockte sich auf die Mauer am OdF-Denkmal an der Ecke Stendaler Straße/Schillerstraße, als der Bekannte ankam, bei ihnen Bier schnorren wollte und es kurz danach zur Keilerei kam.
„Was wollen Sie mal machen, wenn Sie groß sind?“, fragte der Richter den 22-Jährigen. Seine Antwort: „Weiß ich nicht.“ Er würde gerne als Verkäufer in einem Geschäft arbeiten – beworben hat er sich aber noch nie. Und dann brach es aus dem Angeklagten heraus: „Ich lege mir selbst Steine in den Weg“, Freunde und auch seine eigene Mutter würden ihn als Taugenichts hinstellen. „Ich habe mein Leben komplett verkackt.“
Das sah der Richter zwar nicht ganz so, empfahl ihm aber eine Therapie. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft verurteilte der Richter den Angeklagten zu 100 Arbeitsstunden – mindestens 20 pro Woche. Das nahm der 22-Jährige dankbar an. Das wäre dann, so interpretierte er das Urteil, ein erster Schritt hin zu einer geregelten Arbeitsstelle – für die man sich allerdings auch irgendwann mal bewerben müsste.