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Erste Panzersperre dreist geklaut: Wie das Mauerdenkmal bei Waddekath entstand

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Von: Kai Zuber

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Ein alter Mann mit grauem Bart und dunkler Strickmütze weist mit seinem rechten Arm auf ein erhaltenes Stück Grenzmauer.
Diese Mauerreste am ehemaligen Kolonnenweg zwischen Rade und Waddekath konnten 1990 vor dem Abriss gerettet werden. In dem Projekt steckt eine Menge Privatinitiative, vor allem von Bürgern aus Rade. © Kai Zuber

Genau am 17. Februar 1990 um 9 Uhr öffnete sich in Waddekath offiziell die Straße zwischen Diesdorf und Wittingen. An das Ereignis erinnert sich heute noch gern der langjährige Ortsvorsteher von Rade, Dieter von Campen. Der heute 80-jährige Senior fährt auch heute noch gerne auf dem so genannten Kirchsteig zwischen Rade und Waddekath mit dem Fahrrad bis zum Mauerdenkmal, direkt am ehemaligen Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen, der noch heute gut erhalten ist und der erst kürzlich mit Obstgehölzen bepflanzt wurde.

Waddekath/Rade – Dieter von Campen war nach der Wende von 1991 bis 2001 Ortsvorsteher in Rade. „Wir haben zusammen mit dem damaligen Diesdorfer Bürgermeister Fritz Kloß dafür gesorgt, dass der Mauerrest hier stehen bleibt“, sagt von Campen.

Ein alter Mann mit weißem Bart und dunkler Strickmütze steht neben seinem Fahrrad am Rand eines Waldes.
Dieter von Campen war nach der Wende von 1991 bis 2001 Ortsvorsteher in Rade. „Wir haben zusammen mit dem damaligen Diesdorfer Bürgermeister Fritz Kloß dafür gesorgt, dass der Mauerrest hier erhalten bleibt.“ © Kai Zuber

Damals ging mit dem Abriss der Mauerrelikte alles sehr schnell und das Verständnis der Bürger, hier etwas als Denkmal stehen zu lassen war gering. „Ich habe dann mit Fritz Kloß darüber gesprochen und darum gebeten, alles zu tun, um zumindest einige Mauerreste als Mahnmal stehen zu lassen und bin beim Nachbarbürgermeister zum Glück auf offene Ohren gestoßen“, erinnert sich der Rader. Auf ihn habe damals keiner der Grenz-Abrissarbeiter gehört. Ausgerechnet das Mauerstück unweit der Straße, dass eigentlich verschont bleiben sollte, war plötzlich über Nacht verschwunden. „Ja, im Frühjahr 1990 ging alles plötzlich so schnell“, so von Campen. Auch viele Waddekather wollten damals alles entfernt haben, was sie an das verhasste Grenzregime erinnerte. Doch einige Mauerteile, ein Postenturm, eine Grenzpfahl und auch eine Panzersperre konnten letztlich am alten Kirchsteig erhalten und zu einem kleinen Freilichtmuseum arrangiert werden. „Die erste Panzersperre aus zusammen geschweißten Eisenbahnschienen haben Diebe über Nacht geklaut. Die zweite Panzersperre, die wir danach über Beziehungen besorgten, haben wir dann mit viel Beton gegen Diebstahl gesichert und diese Sicherung ist bis heute erfolgreich“, schmunzelt Dieter von Campen beim Vor-Ort-Termin mit der AZ.

Mit etwas Wehmut blickt der Rader auf die Grenzfreundschaft zwischen den Nachbar-Dörfern während der letzten Jahrzehnte: „Bei den Treffen waren wir erst 120 Leute, dann waren es 50 und dann 20. Das Interesse hat leider stark abgenommen.“ Die Bürger aus Rade haben sich besonders stark eingebracht beim Aufbau und der Pflege des Mauer-Areals. Auch Cord Meyer gehörte über viele Jahre zu den Unterstützern. Günter Kruse machte seinerzeit Fördermittel für zwei Schautafeln locker, die heute mit vielen Informationen und Bildern auf die ehemalige Grenze zwischen Rade und Waddekath sowie auf die Grenzöffnung aufmerksam machen. Auch eine Bank zum Verweilen steht jetzt dort. Die Mauerreste haben die Männer inzwischen wieder in Form gebracht, vom Buschwerk befreit und davor Kies aufgefahren. Findlinge sorgen zudem dafür, dass Fahrzeuge nicht direkt an die Mauer fahren können. „Vor dem Besuch des heutigen Bundessozialministers Hubertus Heil ließen wir seinerzeit auch auf der Freifläche Kies anfahren, damit der SPD-Mann mit seinen Gästen dort trockenen Fußes stehen konnte. Ja, in dem gesamten Projekt hier, steckt eine Menge Privatinitiative und wenn ich mit dem Fahrrad hier bin, mache ich mitunter auch schon mal den Papierkorb leer“, so Dieter von Campen. Hintergrund: Zwischen den Ortschaften Rade in Niedersachsen und Waddekath im ehemaligen DDR-Bezirk Magdeburg waren Deutschland und Europa bis zum 17. Februar 1990 um 9 Uhr geteilt. Daran erinnert heute ein Schild neben der Landesstraße.

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